Zweckbefristung bzw. auflösende Bedingung ist im Arbeitsvertrag unwirksam

02. November 2023 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 27. April 2023 zum Aktenzeichen 8 Sa 463/22, dass die Vereinbarung einer Zweckbefristung oder auflösenden Bedingung unwirksam ist, wenn das zur Beendigung des

Arbeitsverhältnisses führende Ereignis der Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers unterliegt.

In dem zwischen den Parteien am 15.02.2019 mit der Überschrift „Zweckbefristeter Arbeitsvertrag“ geschlossenen Vereinbarung heißt es u.a.:

„§ 8 Beginn, Dauer, Ruhen und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das Arbeitsverhältnis beginnt am 15.02.2019.

Das Arbeitsverhältnis ist zweckbefristet. Es endet nicht zu einem vorab festgelegten Zeitpunkt.

Zweck des Arbeitsverhältnisses ist die kundengebundene Mitarbeit im Team für Frau K F

Der Arbeitsvertrag endet automatisch bzw. ohne Kündigung, wenn der Zweck des Vertrags erreicht wird.

Dieses ist der Fall, wenn der Auftrag des Arbeitgebers zur individuellen Assistenz des Kunden endet, die Bewilligung des Leistungsträgers endet, die Kundin/der Kunde verstirbt oder die zu unterstützende Person die weitere Unterstützung durch die Mitarbeiterin / den Mitarbeiter auf Dauer ablehnt.

In diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis zwei Wochen nach Zugang einer schriftlichen Unterrichtung durch den Arbeitgeber über die Beendigung des Assistenzauftrages. Das Recht zur vorzeitigen Kündigung bleibt beiderseits unberührt.

Nach § 15 Abs. 3 TzBfG wird die ordentliche Kündigung für beide Parteien des Arbeitsvertrags einzelvertragliche ermöglicht. In diesem Fall gilt die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum letzten Tag des Monats. Ein Ende des Arbeitsvertrages aufgrund Abs. 3, der Zweckerreichung, geht vor dieser ordentlichen Kündigung.

[…]“

Mit Schreiben vom 21.02.2021 kündigte die Beklagte den mit ihrer Kundin Frau F bestehenden Vertrag zum 31.03.2021. Ebenfalls mit Schreiben vom 21.02.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass auf Grund der vereinbarten Zweckbefristung und dem Ende der Assistenzleistungen der Beklagten für Frau F auch ihr Arbeitsvertrags zum 31.03.2021 ende. Zugleich erklärte die Beklagte vorsorglich die Kündigung des mit der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2021.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht durch die im Arbeitsvertrag vom 15.02.2019 vereinbarten Befristung mit dem Ende der Vertragsbeziehungen zwischen der Beklagten und Frau F zum 31.03.2021 geendet. Die Befristungsabrede ist unwirksam, mit der Folge, dass der Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt (§ 16 Satz 1 TzBfG).

Die Parteien haben in § 8 des Arbeitsvertrags vom 15.02.2019 eine Kombination von Zweckbefristungen i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, § 15 Abs. 2 TzBfG und auflösenden Bedingungen (§ 21 TzBfG) vereinbart.

Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag liegt vor, wenn sich die Dauer des Vertrages aus der Art, dem Zweck oder der Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt und das Arbeitsverhältnis bei Eintritt eines künftigen Ereignisses enden soll, wobei die die Vertragsparteien den Eintritt des künftigen Ereignisses als feststehend und nur den Zeitpunkt des Eintritts als ungewiss betrachten. Bei einer auflösenden Bedingung hängt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls vom Eintritt eines künftigen Ereignisses ab, es ist aber ungewiss, ob dieses künftige Ereignis überhaupt eintreten wird. Worauf sich die Vertragsparteien geeinigt haben, ist im Zweifel durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln.

Die Parteien haben in § 8 des Arbeitsvertrags als Zweck des Arbeitsverhältnisses die kundegebundene Mitarbeit der Klägerin im Team für Frau F definiert und das Ende des Arbeitsverhältnisses von der Beendigung dieser Tätigkeit abhängig gemacht. Als einzelne Tatbestände, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen sollen, haben die Parteien mit dem Ende des Auftrags zwischen der Beklagten und der Kundin sowie ihrem Tod sowohl Ereignisse, deren Eintritt gewiss, ihr Zeitpunkt aber ungewiss war (Zweckbefristungen), als auch Ereignisse, deren Eintritt sich als ungewiss darstellte (Ende der Bewilligung durch den Leistungsträger, dauerhafte Ablehnung der weiteren Unterstützung durch die Klägerin von Seiten der Kundin) (auflösende Bedingungen), bestimmt.

Die vereinbarte Zweckbefristung, nach der das Arbeitsverhältnis mit dem Ende des Auftrags zwischen der Beklagten und der Kundin F enden soll, ist jedoch nicht durch einen sachlichen Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt. Eine sachliche Rechtfertigung ergibt sich insbesondere nicht aus der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG).

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn diese durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist. Dabei ist der Begriff der „Eigenart der Arbeitsleistung“ nicht so zu verstehen, dass nur die Eigenart der Arbeitsleistung als solche, nicht aber Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbracht und kann nicht davon losgelöst betrachtet werden. Allerdings ist nicht jegliche Eigenart der Arbeitsleistung geeignet, die Befristung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Nach der dem TzBfG zugrundeliegenden Wertung ist der unbefristete Arbeitsvertrag der Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme. Daher kann die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten oder auflösend bedingten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG erfordert daher eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche Befristung sachlich nicht gerechtfertigt. Aus den Besonderheiten der Arbeitsleistung ergibt sich nach Abwägung der berechtigten Interessen beider Parteien kein überwiegendes Interesse der Beklagten an der vereinbarten Befristung.

Der Kündigungsschutzantrag der Klägerin ist ebenfalls begründet. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist nicht durch die von der Beklagten vorsorglich ausgesprochene Kündigung vom 21.02.2021 aufgelöst worden. Die Kündigung ist gem. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG unwirksam, da sie nicht sozial gerechtfertigt iSv § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist. Sie ist insbesondere nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, bedingt.

Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein.

Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn aufgrund der unternehmerischen Entscheidung ein Bedürfnis für die Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entfallen ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei ist der Arbeitgeber – bis zur Grenze der Willkür – nicht gehindert, auch wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen. Es ist nicht Sache der Gerichte, ihm eine „bessere“ oder „richtigere“ betriebliche Organisation vorzuschreiben. Im Rahmen einer „Missbrauchskontrolle“ hat aber eine Prüfung dessen stattzufinden, ob die Unternehmerentscheidung offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

Demnach erweist sich die Kündigung der Beklagten vom 21.02.2021 nicht bereits deswegen als sozial ungerechtfertigt, weil die der Kündigung zu Grunde liegende Entscheidung der Beklagten, das Vertragsverhältnis mit der Kundin F zu kündigen, rechtsmissbräuchlich war. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat keine hinreichend konkreten Indizien dafür vorgetragen, dass die Entscheidung offenbar unsachlich oder willkürlich war. Insbesondere hat die Klägerin keine konkreten Indizien für die von ihr geäußerte Vermutung, dass die Vertragsbeendigung gegenüber Frau F auf Grund der Geltendmachung von Pflegemindestlohnansprüchen durch Mitarbeiterinnen aus dem Frau F betreuenden Team gegenüber der Beklagten, erfolgte, dargelegt. Hinreichende Indizien für eine unsachliche Entscheidung ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass von Mitarbeiterin aus dem Betreuungsteam der Frau F Bestrebungen bestanden, bei der Beklagten einen Betriebsrat zu gründen. Denn auch diesbezüglich fehlt es an konkreten Anhaltspunkten, die die Annahme begründen könnten, dass die Kündigung gegenüber Frau F nicht auf Grund der von der Beklagten dargelegten Schwierigkeiten und Spannungen zwischen ihr und Frau F , sondern tatsächlich als Reaktion auf die Überlegungen der Mitarbeiterinnen zur Gründung eines Betriebsrats und zur Verhinderung eines solchen erfolgte.

Der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes der Klägerin im Team von Frau F auf Grund der Entscheidung der Beklagten, das Vertragsverhältnis mit Frau F zu beenden, ist vor dem Hintergrund des Vorrangs der Änderungskündigung dennoch nicht geeignet, ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG darzustellen.

Das Vorliegen des „dringenden“ betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG setzt nicht nur voraus, dass die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer weggefallen ist, sondern auch, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, wenn auch zu geänderten Arbeitsbedingungen, nicht besteht. Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht aufgrund des ihm nach § 106 GewO zu stehenden Direktionsrecht zuweisen, so ist – ausgehend von dem das gesamte Kündigungsschutzrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsprinzips – vor Ausspruch einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung zu erklären, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den geänderten Arbeitsbedingungen ermöglicht. Die Änderungskündigung hat demnach Vorrang vor der Beendigungskündigung mit der Folge, dass eine Beendigungskündigung unwirksam ist, wenn eine mögliche Änderungskündigung unterblieben ist.

Die Klägerin hat unter Vorlage von Stellenanzeigen der Beklagten dargelegt, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Beschäftigungsbedarf und freie Stellen bei der Beklagten für Assistenzkräfte in den Teams anderer Kunden bestand. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Sie hat sich ihrerseits lediglich darauf berufen, dass ein Einsatz der Assistenzkräfte auf Grund des engen persönlichen Kontaktes nur mit Zustimmung der jeweiligen Klienten erfolgen kann und in keinem Team ein Bedarf an einer Assistenzkraft mit dem Stundenumfang der Klägerin bestanden habe. Zwar ist nachvollziehbar, dass der Einsatz einer Assistenzkraft bei einer assistenzbedürftigen Person nicht gegen deren Willen erfolgen soll. Die Beklagte hat bei den Kunden, bei deren Teams ein Beschäftigungsbedarf bestand, jedoch weder angefragt, ob ein Einsatz der Klägerin in Frage komme, noch einen persönlichen Kontakt vermittelt oder anderweitige Aktivitäten im Hinblick auf eine mögliche anderweitige Beschäftigung der Klägerin in einem anderen Team entwickelt. In Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre die Beklagte vor Ausspruch der Beendigungskündigung aber zumindest verpflichtet gewesen, zu ermitteln, ob ein Einsatz der Klägerin auf einer freien Stelle in einem anderen Team (mit Zustimmung der betroffenen Kunden) möglich gewesen wäre.

Der Annahme einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Bedingungen und dem Erfordernis zum Ausspruch einer Änderungskündigung steht auch nicht der Beschäftigungsumfang der Klägerin entgegen. Soweit die Beklagte sich darauf berufen hat, im Februar 2021 die Entscheidung betroffen zu haben, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr in dem bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten bzw. anzubieten, hat sie auch nach eigenem Vortrag den Einsatz geringfügig Beschäftigter nicht gänzlich aufgegeben, sondern lediglich deutlich reduziert. Dementsprechend weisen auch die von der Klägerin vorgelegten Stellenanzeigen der Beklagten (abgerufen am 19.05.2021 und 06.01.2023) ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Beschäftigung auf geringfügiger Basis bzw. als „Minijob“ hin. Unstreitig sind auch nach wie vor geringfügig Beschäftigte bei der Beklagten tätig. Warum der Beklagten dennoch eine Beschäftigung der Klägerin in einem anderen Team mit dem bisherigen Stundenumfang nicht möglich gewesen sein soll, hat die Beklagte nicht dargelegt. Im Übrigen wäre sie selbst in dem Fall, dass ihr tatsächlich lediglich Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin mit einem höheren Stundenumfang zur Verfügung gestanden hätten, in Ausprägung des ultima-ratio Prinzips vor dem Ausspruch der Beendigungskündigung jedenfalls gehalten gewesen, ihr neben der Änderung des Einsatzteams auch die Änderung des Stundenumfangs im Rahmen einer Änderungskündigung anzubieten.