Darf man wegen AfD-Mitgliedschaft gekündigt werden?

19. Mai 2025 -

Was Arbeitnehmer über ihre Rechte wissen sollten

In Zeiten politischer Polarisierung stellt sich immer häufiger die Frage: Darf ein Arbeitgeber einem Beschäftigten kündigen, weil dieser Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) ist oder sich zu deren politischen Positionen bekennt? Die Antwort ist differenziert – aber für Arbeitnehmer gibt es klare Leitlinien, wann eine Kündigung wegen politischer Ansichten rechtlich unzulässig ist.

Parteizugehörigkeit als private Angelegenheit?

Zunächst ist festzuhalten: In Deutschland gilt die Freiheit der politischen Meinungsäußerung (Art. 5 GG) sowie die Freiheit der Vereinigungsbildung, zu der auch Parteien zählen (Art. 9 GG). Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei – sei es SPD, CDU oder AfD – ist grundsätzlich Privatsache. Ein Arbeitnehmer darf sich also politisch engagieren und auch einer Partei angehören, deren Positionen umstritten oder gesellschaftlich umkämpft sind – solange er dabei keine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt.

Die AfD ist – trotz laufender Beobachtungen durch den Verfassungsschutz in mehreren Bundesländern – nicht verboten. Sie ist eine zugelassene Partei im Sinne des Parteiengesetzes. Solange das Bundesverfassungsgericht sie nicht als verfassungswidrig einstuft, ist ihre Mitgliedschaft verfassungsrechtlich geschützt. Das gilt auch für ihre parteinahen Organisationen, etwa den „Flügel“, sofern keine strafrechtlich relevanten Inhalte verbreitet werden.

Kündigung nur bei konkretem Fehlverhalten möglich

Was bedeutet das für das Arbeitsverhältnis? Eine Kündigung allein wegen der Parteimitgliedschaft ist nicht zulässig – weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst. Das gilt vor allem, wenn sich das politische Engagement außerhalb der Arbeitszeit abspielt und nicht in den betrieblichen Alltag hineinwirkt.

Rechtsanwältin Sophie L., spezialisiert auf Arbeitsrecht, erklärt:
„Eine politische Meinung – selbst wenn sie unbequem ist – darf ein Arbeitgeber nicht sanktionieren. Erst wenn sich diese Meinung in einer Weise äußert, die den Betriebsfrieden gefährdet oder andere Mitarbeitende einschüchtert, wird es arbeitsrechtlich relevant.“

Typische Fälle, die nicht ohne weiteres zu einer Kündigung führen dürfen:

  • Mitgliedschaft in der AfD oder Teilnahme an Parteiveranstaltungen in der Freizeit
  • Äußerungen in sozialen Netzwerken, die nicht beleidigend oder extremistisch sind
  • Engagement in parteinahen Organisationen ohne dienstliche Bezüge

Wann eine Kündigung gerechtfertigt sein kann

Ein arbeitsrechtliches Problem entsteht erst, wenn die politische Betätigung nachweislich Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn:

  • ein Arbeitnehmer rassistische oder volksverhetzende Inhalte verbreitet,
  • Kollegen wegen ihrer Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung beleidigt oder ausgrenzt,
  • der Ruf des Unternehmens nachweislich geschädigt wird (z. B. durch öffentliches Auftreten in extremistischen Kontexten).

In einem aufsehenerregenden Fall aus Köln versuchte ein Arbeitgeber 2024, einem Mitarbeiter zu kündigen, weil dieser an einer sogenannten „Remigrationskonferenz“ teilgenommen hatte, die medial als rechtsextrem eingestuft wurde. Das Arbeitsgericht wies die Kündigung ab – die bloße Teilnahme reiche nicht aus, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Es müsse bewiesen werden, dass der Arbeitnehmer selbst verfassungsfeindliche Inhalte verbreitet oder vertreten habe.

Sonderfall: Öffentlicher Dienst

Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst – insbesondere Beamte – gelten strengere Maßstäbe. Sie haben eine besondere Treuepflicht gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wer dort etwa aktiv extremistische Positionen vertritt, kann aus dem Dienst entfernt werden – aber auch hier gilt: Die bloße Mitgliedschaft in der AfD reicht nicht aus.

Ein Beamter, der privat in einer legalen Partei Mitglied ist, verstößt nicht automatisch gegen seine Dienstpflichten. Erst wenn sich Hinweise auf verfassungsfeindliches Verhalten oder die aktive Förderung extremistischer Ziele ergeben, kann eine disziplinarrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahme greifen.

Was Arbeitnehmer tun können – und sollten

Für Arbeitnehmer, die politisch aktiv sind oder durch ihre Parteizugehörigkeit ins Visier des Arbeitgebers geraten, gilt:

  • Kühlen Kopf bewahren: Nicht jede Abmahnung oder Kündigungsandrohung ist rechtlich haltbar.
  • Dokumentation: Wer glaubt, politisch diskriminiert zu werden, sollte Vorfälle und Kommunikation dokumentieren.
  • Rechtsberatung: Frühzeitig mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht sprechen, insbesondere vor der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags.
  • Betriebsrat einschalten: In Unternehmen mit Betriebsrat kann dieser als vermittelnde Instanz tätig werden.

Fazit

Eine Kündigung wegen der AfD-Mitgliedschaft ist in Deutschland grundsätzlich unzulässig. Arbeitgeber dürfen politische Überzeugungen nicht pauschal sanktionieren. Nur wenn das Verhalten eines Arbeitnehmers objektiv den Betriebsfrieden stört oder die Rechte anderer verletzt, kommen arbeitsrechtliche Konsequenzen infrage. Auch dann sind hohe rechtliche Hürden zu überwinden.

Wer betroffen ist, sollte sich nicht einschüchtern lassen – das Grundgesetz steht auf der Seite der Meinungsfreiheit. Und die gilt auch für Unbequemes.