Angesichts steigender Personalkosten stehen Unternehmen regelmäßig vor der Herausforderung, ihre finanzielle Belastung zu reduzieren, ohne auf betriebsbedingte Kündigungen zurückzugreifen. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels ist der Erhalt des Know-hows unerlässlich. Ein vorzeitiger Ausstieg von älteren Beschäftigten – bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis vor Erreichen der Regelaltersrente – bietet hier vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Der nachfolgende Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über die gängigsten Instrumente: von der Altersteilzeit über Teilrente bis zum Zeitwertkonto.
1. Altersteilzeit
Rechtsgrundlage:
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Gesetz über die Altersteilzeit (AltTZG)
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§ 3 AltTZG: Vereinbarung mit Beschäftigten ab Vollendung des 55. Lebensjahrs
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Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen
Grundmodell:
Die Arbeitszeit wird in der Regel auf 50 % der vorherigen Vollzeit reduziert, während das Gehalt – aufgeteilt in Arbeits- und Freistellungsphase – weiterhin ca. 70–80 % des ursprünglichen Entgelts beträgt.
Varianten:
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Blockmodell: Zunächst Vollarbeit, dann komplette Freistellung
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Gleitendmodell: Gleichmäßige Arbeitszeitverringerung über die Laufzeit
Betriebliche und finanzielle Vorteile:
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Gehälter sinken aufgrund der reduzierten Arbeitszeit
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Entlastung der Sozialversicherung (geringere Beitragslast)
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Planungssicherheit durch feste Laufzeiten
Nachteile:
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Höhere Kosten durch Aufstockung des Entgelts in Freistellungsphase
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Bürokratischer Aufwand bei Beantragung und Dokumentation
2. Teilrente nach SGB VI
Rechtsgrundlage:
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§ 93 SGB VI: Teilrente für vorgezogene Altersrente
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Abschläge: bis zu 14,4 % Minderungsfaktor
Funktionsweise:
Beschäftigte beziehen eine geringe Betriebsrente bzw. Ausgleichszahlung, während sie gleichzeitig eine Teilrente von der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. So sinkt der Arbeitgeberaufwand für die Entgeltfortzahlung.
Voraussetzungen:
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Antragsalter meist ab 63 Jahren (je nach Versicherungszeiten)
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Zustimmung der Deutschen Rentenversicherung
Vorteile:
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Deutliche Kostenentlastung für das Unternehmen
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Beschäftigte können flexibler aus dem Berufsleben ausscheiden
Nachteile:
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Abschläge bei der Rentenzahlung mindern die Gesamtbezüge der Mitarbeitenden
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Komplexe Abstimmung mit Rentenversicherung und Sozialversicherungsträgern
3. Zeitwertkonten (Langzeitkonten)
Rechtsgrundlage:
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§ 7g EStG: Steuerliche Förderung
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BAG-Rechtsprechung zu AGB-kontrollrechtlichen Anforderungen
Kernidee:
Ansparung von Arbeitszeit– oder Gehaltsanteilen („Zeitwert“) während des Erwerbslebens. Diese können in einer späteren Freistellungsphase (Sabbatical, vorgezogene Altersteilzeit, Pflegezeit) verbraucht werden.
Aufbau und Finanzierung:
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Formen: Arbeitszeitkonto, Wertguthabenkonto, Pensionszusage
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Rückdeckung häufig über externe Versorgungsträger oder Treuhandmodelle
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Steuerstundung: Beiträge sind steuermindernd, Besteuerung erst bei Auszahlung
Gestaltungsmöglichkeiten:
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Langzeiturlaub/Sabbatical
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Vorruhestandsphase
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Pflege- und Familienzeiten
Vorteile:
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Personalbindung durch attraktive Alterszeitmodelle
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Liquiditäts- und Bilanzoptimierung
Nachteile:
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Finanzielle Rückstellungen in der Bilanz
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Komplexe vertragliche Regelungen und Dokumentationspflichten
4. Kurzarbeit
Rechtsgrundlage:
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§ 95 ff. SGB III
Charakteristik:
Vorübergehende, proportional reduzierte Arbeitszeit für alle oder Teile der Belegschaft bei vorübergehendem Arbeitsausfall. Der Staat (Agentur für Arbeit) erstattet einen Teil des entgangenen Nettoentgelts (Kurzarbeitergeld).
Voraussetzungen:
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Mindestens 10 % der Beschäftigten mit mindestens 10 % Ausfall
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Zustimmung im Betrieb (Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung)
Vorteile:
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Keine Kündigungen notwendig
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Teilhabe an staatlicher Förderung
Nachteile:
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Höherer Sozialversicherungsaufwand in der Regel weiterhin durch Arbeitgeber
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Eingeschränkte Flexibilität für individuelle Ruhestandsmodelle
5. Unbezahlte Freistellungen und Sabbaticals
Rechtsgrundlage:
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Kein gesetzlicher Anspruch – beruht auf freiwilliger Vereinbarung
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Gestaltungsrahmen durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen
Modelle:
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Unbezahlte Freistellung: Beschäftigte arbeiten zeitweise gar nicht, erhalten kein Gehalt, können aber Sozialversicherungsbeiträge – z. B. über Zeitwertkonto – weiter ansammeln
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Sabbatical: Befristete Freistellung gegen Ansparung von Überstunden oder Gehaltsverzicht
Vorteile:
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Sofortige Reduktion der Personalkosten während der Freistellung
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Motivationssteigerung durch flexible Arbeitsmodelle
Nachteile:
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Kein unmittelbarer Lohnausgleich, daher für Beschäftigte nicht immer attraktiv
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Arbeitgeber trägt Risiko während der Freistellungsdauer
6. Vertrauensarbeitszeit und Reduzierung der Regelarbeitszeit
Rechtsgrundlage:
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Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
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Urteil des BAG zur Vertrauensarbeitszeit (z. B. Az. 1 ABR 61/15)
Inhalte:
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Flexible Arbeitszeitregelungen ohne feste Kernzeiten
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Individuelle Vereinbarungen zur wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit
Vorteile:
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Kostenreduktion durch geringeren Überstundenausgleich
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Steigerung der Eigenverantwortung und Effizienz
Nachteile:
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Fehlende Transparenz bei Arbeitszeitdokumentation (Risiko Abmahnung)
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Überlastungsgefahr bei Mitarbeitenden
7. Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte
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Steuerstundung: Zeitwertkonten und Altersteilzeitmodelle erlauben oft die Verlagerung von Lohnsteuerlasten in spätere Jahre (§ 7g EStG)
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Sozialversicherung: Reduzierte Bemessungsgrundlagen mindern sowohl Arbeitgeber– als auch Arbeitnehmerbeiträge
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Bilanzielle Rückstellungen: Bei Zeitwertkonten sind Rückstellungen zu bilden (HGB § 249)
Unternehmen können ihre Personalkosten durch eine gezielte Kombination der vorgestellten Modelle nachhaltig senken, ohne auf Kündigungen zurückgreifen zu müssen. Die Wahl des passenden Instruments hängt ab von betriebswirtschaftlichen Zielen, der Altersstruktur der Belegschaft und der Bereitschaft zur Regelungskomplexität. Eine individuelle Planung unter Einbindung von Personal-, Steuer- und Rechtsabteilung – gegebenenfalls gemeinsam mit externen Spezialisten – ist unerlässlich, um die rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen und die gewünschten Effekte zu realisieren.
Übersicht der Instrumente zur Personalkostensenkung ohne Kündigungen
Modell | Wer? | Wesentlicher Mechanismus | Vorteil | Nachteil |
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Altersteilzeit | Beschäftigte ab 55 Jahren | Arbeitszeit halbieren, Entgeltaufstockung auf 70–80 % | Planbare Entlastung der Sozialversicherung | Aufstockungszahlungen belasten Liquidität |
Teilrente (SGB VI) | Versicherte ab ca. 63 Jahren | Gesetzliche Teilrente + Arbeitgeberzuschuss auf Vor-Netto | Arbeitgeber zahlt nur Differenz zum netto Bisher- | Rentenabschläge mindern Gesamtbezüge der AN |
Zeitwertkonto | Alle Altersgruppen | Ansparen von Zeit/Entgelt, spätere Freistellung (z. B. Sabbat.) | Steuerstundung (§ 7g EStG), flexible Freiräume | Komplexe Verträge, Rückstellungen in Bilanz |
Kurzarbeit (SGB III) | Gesamter Betrieb oder Gruppen | Vorübergehende Stundung von Arbeitszeit und Lohnbestandteilen | Staatliches Kurzarbeitergeld, Teilrückerstattung | Nur temporäre Lösung, Genehmigung erforderlich |
Unbezahlte Freistellung | Freiwillig | Volle Freistellung ohne Gehaltszahlung | Sofortige 100 %ige Kostenreduktion | Kein Einkommen für den AN |
Vertrauensarbeitszeit | Wissensarbeitende | Zielorientierte Arbeitszeit statt Stundennachweis | Weniger Überstundenausgleich, mehr Eigenverantw. | Dokumentationspflicht, ArbZG-Einhaltung nötig |