Versetzung verweigert – Kündigung erhalten? Streik gegen Personalmaßnahme bei Lidl sorgt für arbeitsrechtliche Diskussion

01. Mai 2025 -

Ein Fall aus der Schweiz wirft ein Schlaglicht auf zentrale Fragen des Arbeitsrechts: Darf ein Arbeitnehmer eine Versetzung verweigern, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen? Und unter welchen Bedingungen ist eine Kündigung in Folge einer verweigerten Versetzung rechtlich zulässig?


Hintergrund des Falls: Empörung über geplante Kündigung nach Versetzungsverweigerung

In der Schweizer Stadt Wädenswil bei Zürich kam es zu einem ungewöhnlichen und aufsehenerregenden Vorgang im Lebensmitteleinzelhandel: Die Beschäftigten einer Lidl-Filiale traten in einen Streik – jedoch nicht für mehr Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen, sondern aus Solidarität mit ihrem langjährigen Filialleiter.

Der Anlass: Dem Filialleiter, der die Filiale eigenen Angaben zufolge seit deren Eröffnung im Jahr 2010 leitete, wurde offenbar eine Versetzung in eine andere Stadt angeboten. Weil er dieses Angebot ablehnte, droht ihm laut übereinstimmenden Medienberichten die Kündigung. Die Belegschaft reagierte mit Empörung und stellte den Betrieb ein – ein knallrotes Plakat an der Tür informierte Kunden über die unbefristete Schließung.

Kunden und Angestellte loben den Filialleiter als engagiert, beliebt und tatkräftig – er habe stets mit angepackt und sei „sich für nichts zu schade“ gewesen. Der Discounter selbst schweigt zu den konkreten Umständen unter Verweis auf den Persönlichkeitsschutz, betont aber allgemein seine Fairness und Dialogbereitschaft. Dennoch: Der Fall wirft grundlegende arbeitsrechtliche Fragen auf – auch für deutsche Beschäftigungsverhältnisse.


Rechtslage in Deutschland: Wann ist eine Versetzung zulässig?

Im deutschen Arbeitsrecht ist die Möglichkeit einer Versetzung gesetzlich im § 106 Gewerbeordnung (GewO) geregelt. Danach darf der Arbeitgeber „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen“, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung bereits festgelegt sind.

Das bedeutet: Eine Versetzung ist nur zulässig, wenn sie vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich vom Arbeitsvertrag ab:

  • Ist ein konkreter Arbeitsort im Vertrag vereinbart (z. B. „Arbeitsort ist die Filiale in Wädenswil“), bedarf eine Versetzung an einen anderen Ort der Zustimmung des Arbeitnehmers oder einer Änderungskündigung.

  • Ist der Arbeitsort im Vertrag flexibel geregelt (z. B. „Einsatz an verschiedenen Standorten nach Bedarf des Unternehmens“), kann eine Versetzung grundsätzlich verlangt werden, muss aber dennoch billigem Ermessen entsprechen.


Verweigerung der Versetzung – und dann?

Verweigert ein Arbeitnehmer die Durchführung einer wirksamen Versetzung, kann dies eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen und im Extremfall eine verhaltensbedingte Kündigung nach sich ziehen.

Aber Achtung: Voraussetzung hierfür ist stets, dass:

  1. Die Versetzung zulässig war (insbesondere nicht willkürlich oder unzumutbar),

  2. Eine Abmahnung vorausging und

  3. Keine milderen Mittel zur Verfügung standen (z. B. Weiterbeschäftigung am alten Standort).

Ist die Versetzung hingegen nicht vom Direktionsrecht gedeckt oder unzumutbar, darf sie verweigert werden – eine Kündigung wäre dann unwirksam.


Solidaritätsstreik: Arbeitsrechtlich riskant, aber menschlich nachvollziehbar

Der Solidaritätsstreik der Lidl-Belegschaft in Wädenswil ist aus arbeitsrechtlicher Sicht ein heikles Unterfangen. In Deutschland wäre ein solcher Streik rechtswidrig, da nur tariflich legitimierte Arbeitskämpfe unter Führung der Gewerkschaft zulässig sind. Ein „wilder Streik“ – also ein Streik ohne gewerkschaftliche Unterstützung – kann zu Abmahnungen oder Kündigungen führen.

In der Schweiz ist das Streikrecht zwar grundsätzlich anerkannt, aber ähnlich restriktiv an Bedingungen geknüpft. Ob der Streik in Wädenswil als zulässig gilt, dürfte von der konkreten Ausgestaltung und Motivation abhängen – und insbesondere davon, ob er arbeitsrechtlich als politisch, tariflich oder persönlich motiviert einzustufen ist.


Fazit: Persönliche Wertschätzung trifft auf betriebliche Interessen – eine juristische Gratwanderung

Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie schnell sich betriebliche Maßnahmen in einen emotional aufgeladenen arbeitsrechtlichen Konflikt verwandeln können. Für Arbeitgeber bedeutet das: Versetzungen müssen gut vorbereitet, sozial kommuniziert und juristisch wasserdicht sein. Für Arbeitnehmer stellt sich die Frage: Wie weit geht meine Verpflichtung zur Flexibilität – und wo beginnt mein Recht auf Stabilität und Wohnortbindung?

Letztlich gilt: Jede Versetzung ist eine Einzelfallentscheidung – abhängig vom Vertrag, von der Lebenssituation und von der Kommunikation. Wo diese fehlt, bleibt oft nur der Gang vor das Arbeitsgericht.


Rechtstipp vom Fachanwalt für Arbeitsrecht:
Lassen Sie Versetzungsanordnungen oder entsprechende Angebote stets rechtlich prüfen – insbesondere dann, wenn Sie mit einem Ortswechsel nicht einverstanden sind. Eine vorschnelle Ablehnung oder Annahme kann arbeitsrechtlich erhebliche Konsequenzen haben.


FAQ: Versetzung und Kündigung

❓Darf mein Arbeitgeber mich an einen anderen Ort versetzen?
Nur, wenn dies arbeitsvertraglich zulässig ist oder Sie einer Änderung zustimmen.

❓Muss ich eine Versetzung akzeptieren?
Nein, wenn der Arbeitsort vertraglich festgelegt ist oder die Versetzung unzumutbar ist.

❓Darf ich streiken, wenn mein Chef ungerecht behandelt wird?
Nur im Rahmen eines rechtlich zulässigen Streiks – sonst drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen.

❓Was kann ich tun, wenn mir wegen einer verweigerten Versetzung gekündigt wird?
Reichen Sie innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein und lassen Sie die Versetzungsanordnung prüfen.