Das können Arbeitgeber legal gegen „Krankfeierer“ unternehmen – Rechte und Maßnahmen bei Verdacht auf Blaumachen

20. Mai 2025 -

Wenn sich Krankmeldungen in verdächtiger Regelmäßigkeit an Brückentagen, Montagen oder nach Urlaubsanträgen häufen, wächst bei vielen Arbeitgebern der Verdacht: Macht der Mitarbeiter krank – oder macht er blau? Doch welche rechtlichen Möglichkeiten stehen Arbeitgebern tatsächlich zur Verfügung, um Blaumacherei zu unterbinden oder gar zu sanktionieren? Dieser Beitrag klärt auf, welche Maßnahmen zulässig sind, welche Grenzen das Arbeitsrecht setzt und wie Arbeitgeber sich gegen Missbrauch schützen können.


Arbeitsunfähigkeit und Attest – rechtliche Grundlagen

Zunächst ist festzuhalten: Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, den konkreten Grund ihrer Erkrankung offenzulegen. Laut § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) müssen sie dem Arbeitgeber jedoch unverzüglich mitteilen, dass sie arbeitsunfähig sind und wie lange diese voraussichtlich andauert. Spätestens am vierten Krankheitstag muss eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorgelegt werden – viele Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen verlangen diese jedoch bereits ab dem ersten Tag.

Diese AU ist ein starkes Beweismittel im Arbeitsrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wird ihr ein hoher Beweiswert zugemessen. Sie befreit den Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht und berechtigt zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.


Verdacht auf „Blaumachen“ – Indizien und typische Muster

Ein bloßes Bauchgefühl reicht nicht aus – Arbeitgeber benötigen konkrete Indizien, um gegen angeblich unberechtigte Krankmeldungen vorzugehen. Solche Indizien können z. B. sein:

  • Regelmäßige Krankschreibungen an Brückentagen, Montagen oder in Verbindung mit Urlaub
  • Krankmeldungen direkt nach abgelehnten Urlaubsanträgen
  • Häufung von Kurzzeiterkrankungen ohne erkennbare medizinische Ursache
  • Aussagen von Kollegen oder auffällige Social-Media-Posts während der angeblichen Krankheit

Allerdings sind solche Umstände allein noch kein Beweis für eine vorgetäuschte Krankheit. Arbeitgeber müssen den Beweiswert der AU erschüttern – und das ist juristisch anspruchsvoll.


Maßnahmen bei Verdacht auf vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit

Verlangen einer AU-Bescheinigung ab dem ersten Tag

Der erste und rechtlich sichere Schritt: Der Arbeitgeber kann nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG schon am ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest verlangen – auch ohne besonderen Anlass. Diese Regelung kann per Vertrag oder auch im Einzelfall mündlich oder schriftlich angeordnet werden. Arbeitgeber sollten dies im Zweifel dokumentieren, um spätere Diskussionen zu vermeiden.

Anzweifeln des ärztlichen Attests – AU-Beweiswert erschüttern

Will ein Arbeitgeber die AU anzweifeln, muss er konkrete Tatsachen vorbringen, die den Beweiswert des Attests erschüttern. Das ist z. B. möglich, wenn:

  • Der Mitarbeiter während der Krankmeldung auf einer Party, im Fitnessstudio oder im Urlaub gesichtet wurde.
  • Ein Arzt routinemäßig rückwirkend Krankschreibungen ausstellt.
  • Die AU exakt den Zeitraum eines abgelehnten Urlaubsantrags abdeckt.

Gelingt die Erschütterung, muss der Mitarbeiter aktiv beweisen, dass er tatsächlich krank war. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber eine Lohnfortzahlung verweigern.

Einschaltung des Medizinischen Dienstes / Gutachter

Arbeitgeber dürfen nach § 275 SGB V den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einschalten, um die AU überprüfen zu lassen – insbesondere bei längerer oder häufig wiederholter Krankheit. Auch betriebsärztliche Gutachten sind möglich, wenn es um die generelle Arbeitsfähigkeit geht. Allerdings dürfen Arbeitgeber keine privaten Detektive ohne konkrete Anhaltspunkte losschicken – das wäre ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht.

Abmahnung und Kündigung – unter engen Voraussetzungen

Einzelfälle von erwiesenem Blaumachen können eine Abmahnung rechtfertigen – z. B. wenn die Arbeitsunfähigkeit nachweislich nur vorgeschoben war. Bei Wiederholung oder besonders schwerem Verstoß kann auch eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung möglich sein. Die Hürden hierfür sind jedoch hoch:

  • Der Arbeitgeber muss gerichtsfest nachweisen, dass der Mitarbeiter die AU nur vortäuschte.
  • Ohne diesen Nachweis sind Kündigungen in der Regel unwirksam.

Was Arbeitgeber nicht dürfen – rechtliche Grenzen

So nachvollziehbar der Ärger über verdächtige Krankmeldungen ist – Arbeitgeber dürfen bei Verdacht nicht eigenmächtig und unrechtmäßig handeln. Unzulässig sind etwa:

  • Pauschale Verdächtigungen ohne konkrete Hinweise
  • Verweigerung der Lohnfortzahlung ohne Erschütterung des AU-Beweises
  • Selbstständige Observationen durch Detektive ohne berechtigten Anlass
  • Androhung von Konsequenzen allein wegen der Häufung von AU an Brückentagen

Solche Maßnahmen können Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte verletzen und führen im Zweifel zu Schadenersatz- oder Unterlassungsklagen.


Präventive Maßnahmen gegen Blaumachen

Um Blaumacherei vorzubeugen, sollten Arbeitgeber auf klare Regeln und Transparenz setzen:

  • Einführung einer AU-Pflicht ab dem ersten Tag (am besten in Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag)
  • Schulung von Führungskräften im Umgang mit Krankmeldungen und Fehlzeiten
  • Offene Feedbackkultur und Mitarbeitergespräche bei Auffälligkeiten
  • Einsatz von Fehlzeitenanalysen zur Früherkennung von Mustern
  • Vertrauensarbeitszeit nur bei passenden Tätigkeiten und zuverlässigen Mitarbeitenden

„Krankfeiern“ ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten – doch Arbeitgeber müssen sehr sorgfältig und rechtlich sauber vorgehen, wenn sie Blaumacherei vermuten. Der Beweiswert der AU ist hoch, aber nicht unerschütterlich. Wer Verdachtsmomente gut dokumentiert, klare arbeitsvertragliche Regelungen trifft und bei Bedarf juristische Beratung einholt, kann sich wirksam gegen Missbrauch schützen – und handelt dabei im rechtssicheren Rahmen.


Hinweis für Arbeitgeber:
Im Einzelfall empfiehlt es sich, bei Verdacht auf vorgetäuschte Krankheit eine arbeitsrechtlich spezialisierte Anwaltskanzlei einzubeziehen. Insbesondere bei geplanten Abmahnungen oder Kündigungen ist rechtliche Beratung unerlässlich, um unnötige Risiken und gerichtliche Niederlagen zu vermeiden.