Kündigung vor erstem Arbeitstag: So ist die Rechtslage

14. Juli 2025 -

Noch bevor der neue Mitarbeiter überhaupt angefangen hat, reicht er die Kündigung ein – oder erscheint am ersten Arbeitstag schlichtweg nicht. Müssen Arbeitgeber das hinnehmen? Und was gilt, wenn der Arbeitgeber selbst vor Arbeitsantritt kündigen möchte? Dieser Rechtstipp erklärt die Rechtslage für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in verständlicher Form, inklusive relevanter Gesetzesparagrafen (z. B. BGB, KSchG) und Gerichtsentscheidungen.

Grundregel: Kündigung vor Arbeitsantritt ist grundsätzlich möglich

Ein Arbeitsvertrag bindet beide Parteien bereits mit seiner Unterschrift, auch wenn der Arbeitsbeginn in der Zukunft liegt. Zurücktreten oder den Vertrag „einfach widerrufen“ (wie bei einem Handyvertrag) kann man dann nicht mehr – es bleibt nur die Kündigung. Grundsätzlich dürfen beide Seiten den Arbeitsvertrag schon vor dem ersten Arbeitstag kündigen, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ausdrücklich klargestellt. Eine Kündigung vor Dienstbeginn kann sowohl ordentlich (mit Frist) als auch außerordentlich (fristlos) erfolgen, da das Kündigungsrecht auch vor Arbeitsantritt nicht eingeschränkt werden darf.

Ausnahme: Wurde im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart, dass eine Kündigung vor Arbeitsbeginn ausgeschlossen ist oder dass die Kündigungsfrist erst mit Arbeitsantritt zu laufen beginnt, gilt diese Vereinbarung. Ein solcher Kündigungsausschluss vor Dienstantritt ist rechtlich zulässig und benachteiligt keine Seite unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB). Das BAG hat etwa 2017 entschieden, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung vor Arbeitsbeginn sogar in Formulararbeitsverträgen wirksam sein kann. Wichtig: Das Recht zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung kann jedoch nicht vertraglich ausgeschlossen werden – in gravierenden Fällen (etwa arglistige Täuschung über Qualifikationen) ist eine fristlose Kündigung vor Arbeitsantritt also möglich.

Gesetzliche Schriftform und Kündigungsfristen

Wer vor Arbeitsbeginn kündigt, muss die gleichen Formalien beachten wie bei jeder anderen Kündigung. Entscheidend ist insbesondere die Schriftform nach § 623 BGB: Die Kündigung muss schriftlich auf Papier mit eigenhändiger Unterschrift erfolgen – sonst ist sie unwirksam. Eine E-Mail oder ein mündliches „Absagen“ genügt also nicht.

Zudem sind die geltenden Kündigungsfristen einzuhalten. Die Frist richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen oder – falls der Arbeitsvertrag keine Regelung enthält – nach der gesetzlichen Frist des § 622 BGB. Die gesetzliche Grundkündigungsfrist beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Beispiel: Ist der erste Arbeitstag der 1. Oktober und es gilt die gesetzliche Frist, müsste das Kündigungsschreiben spätestens am 1. September beim Empfänger eingehen, um das Arbeitsverhältnis noch vor dem 1. Oktober enden zu lassen.

Häufig wird jedoch im Arbeitsvertrag eine Probezeit (max. 6 Monate) vereinbart, während der verkürzte Kündigungsfristen gelten. Typischerweise können beide Seiten mit zwei Wochen Frist kündigen (§ 622 Abs. 3 BGB). Diese 2-Wochen-Frist gilt – sofern vereinbart – auch für Kündigungen vor Vertragsbeginn. Praktisch bedeutet das: Wenn z. B. zum 1. April eingestellt werden soll und eine ProbezeitKündigungsfrist von 2 Wochen vereinbart ist, kann der Arbeitnehmer noch bis zwei Wochen vor Arbeitsantritt kündigen, ohne am ersten Tag erscheinen zu müssen. Gleiches gilt umgekehrt für eine Kündigung des Arbeitgebers: Trifft das Kündigungsschreiben mindestens 2 Wochen vor dem Starttermin ein, muss (bzw. darf) der neue Mitarbeiter gar nicht mehr antreten.

Kündigung durch den Arbeitnehmer vor dem ersten Arbeitstag

Arbeitnehmer können also noch vor Dienstbeginn kündigen – zum Beispiel, weil sie ein besseres Jobangebot erhalten haben oder doch beim alten Arbeitgeber bleiben wollen. Wichtig ist, dass die Kündigung rechtzeitig zugeht, damit die Frist vor dem Starttermin abläuft. Gelingt das, entsteht das Arbeitsverhältnis erst gar nicht im praktischen Sinn. Der Arbeitnehmer muss dann nicht mehr zur Arbeit erscheinen, und der Arbeitgeber muss selbstverständlich auch keinen Lohn zahlen. In der Kündigung sollte zur Klarheit der Beendigungszeitpunkt genannt werden (etwa „… kündige zum TT.MM.JJJJ“).

Verpasst der Arbeitnehmer jedoch diese rechtzeitige Kündigung (oder ist eine Kündigung vorab vertraglich ausgeschlossen), kann es passieren, dass der erste Arbeitstag erreicht wird, bevor die Kündigungsfrist abläuft. Beispiel: Der Arbeitsbeginn ist der 1. Oktober, aber der Arbeitnehmer kündigt erst am 20. September mit vier Wochen Frist. Dann endet das Arbeitsverhältnis erst am 18. Oktober – also nach Arbeitsantritt. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer theoretisch ab dem 1. Oktober noch bis zum 18. Oktober arbeiten. Der Arbeitgeber hat dann die Pflicht, für diese kurze Zeit Gehalt zu zahlen. Oft wird es aber für beide Seiten wenig sinnvoll sein, ein Arbeitsverhältnis für nur wenige Tage „aufrechtzuerhalten“. In der Praxis wird in solchen Fällen häufig eine einvernehmliche Lösung gefunden – zum Beispiel ein Aufhebungsvertrag direkt zum oder kurz nach Arbeitsbeginn. Dabei einigen sich beide darauf, dass der Mitarbeiter nicht mehr erscheint und das Arbeitsverhältnis sofort endet, ggf. gegen eine kleine Abfindung (etwa in Höhe des entgangenen Restlohns). Wichtig: Niemand kann den anderen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zwingen. Weigert sich der Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich die Restzeit arbeiten oder riskiert rechtliche Folgen.

Was, wenn der Arbeitnehmer einfach nicht erscheint?

Manche Arbeitnehmer kündigen gar nicht erst schriftlich, sondern bleiben am ersten Tag einfach fern. Das ist keinesfalls empfehlenswert. Wenn die Kündigung nicht wirksam war (z. B. formwidrig oder wegen Kündigungsausschluss im Vertrag) und der Arbeitnehmer die Arbeit grundlos verweigert, liegt ein Vertragsbruch vor. Mögliche Folgen: Der Arbeitgeber kann Schadensersatzansprüche geltend machen. Etwaige Vertragsstrafen greifen ebenfalls, wenn eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Beispielsweise könnte der Vertrag vorsehen, dass bei Nichtantritt eine Strafe in Höhe eines halben oder ganzen Bruttomonatsgehalts fällig wird. Allerdings darf eine Vertragsstrafe nicht unangemessen hoch sein – in der Regel maximal etwa ein Bruttomonatsgehalt, sonst ist die Klausel unwirksam. So hat das BAG 2010 entschieden, dass eine überzogene Vertragsstrafe unwirksam sein kann. Hinweis: Bleibt der Arbeitnehmer unentschuldigt fern, kann der Arbeitgeber natürlich auch fristlos kündigen (wegen Arbeitsverweigerung), um das Arbeitsverhältnis schnell zu beenden – die Schadensersatzansprüche (z.B. für einen möglichen Ersatz oder Mehrkosten durch den überraschenden Ausfall) bleiben davon unberührt.

Kündigung durch den Arbeitgeber vor Arbeitsantritt

Auch der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag vor dem ersten Arbeitstag kündigen. Das kommt etwa vor, wenn sich betriebliche Umstände ändern oder Zweifel an der Einstellung auftreten. Grundsätzlich gilt hier nichts anderes: Solange kein vertraglicher Kündigungsausschluss vereinbart wurde, darf der Arbeitgeber vorab kündigen. Er muss die ordnungsgemäße Kündigungsfrist einhalten und die schriftliche Form wahren (§ 623 BGB). Ein Kündigungsgrund muss nicht angegeben werden, denn der neue Mitarbeiter steht noch nicht unter dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Der allgemeine Kündigungsschutz greift erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) – bis dahin kann der Arbeitgeber ohne sozialen Rechtfertigungsgrund kündigen. Deshalb ist eine Kündigung vor oder kurz nach Arbeitsbeginn in der Regel relativ risikolos für den Arbeitgeber (sofern keine Diskriminierung oder Willkür vorliegt). Auch eine Beteiligung des Betriebsrats ist vor Arbeitsantritt nicht erforderlich, da der Gekündigte noch nicht Teil der Belegschaft ist (§ 102 BetrVG greift nicht).

Allerdings kann auch der Arbeitgeber von einem vertraglichen Kündigungsausschluss betroffen sein. Haben die Parteien vereinbart, dass eine ordentliche Kündigung vor Arbeitsbeginn ausgeschlossen ist, kann der Arbeitgeber den Vertrag nicht einseitig vorab lösen. Kündigt er dennoch voreilig, wäre diese Kündigung unwirksam. In einem solchen Fall müsste der Arbeitgeber den neuen Mitarbeiter zum vereinbarten Termin beschäftigen und vergüten, zumindest bis er regulär kündigen darf. Praktisch würde der Arbeitgeber dann am ersten Arbeitstag eine Kündigung aussprechen (z. B. mit zwei Wochen Frist, falls Probezeit vereinbart) und den Arbeitnehmer eventuell sofort freistellen, aber eben bis Ablauf der Frist bezahlen. Oft einigen sich Arbeitgeber und neuer Arbeitnehmer hier ebenfalls auf eine einvernehmliche Aufhebung, um das Arbeitsverhältnis nicht „auf Zeit” führen zu müssen.

Eine fristlose Kündigung vor Arbeitsbeginn durch den Arbeitgeber ist nur in Ausnahmefällen möglich. Sie setzt einen wichtigen Grund (§ 626 BGB) voraus, etwa wenn der Bewerber arglistig falsche Angaben gemacht hat (z. B. falsche Qualifikationen) oder wenn nach Vertragsschluss ein schweres Vertrauensbruch bekannt wird. Ein bloß verändertes Meinungsbild des Arbeitgebers oder wirtschaftliche Gründe genügen dafür nicht. So hat bereits das BAG entschieden, dass ein kurzfristig attraktiveres Angebot (analog: **„Umentscheidung” des Arbeitgebers) kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung ist. In solchen Fällen bleibt nur die ordentliche Kündigung mit Frist.

Besonderer Kündigungsschutz bereits vor Arbeitsbeginn?

Manche besondere Kündigungsschutzregeln greifen unabhängig von der sechsmonatigen Wartezeit des KSchG sofort – und zwar ab Vertragsschluss. Ein wichtiges Beispiel ist der Kündigungsschutz für Schwangere. Werdende Mütter dürfen nach § 17 Abs. 1 MuSchG nicht gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt ist. Dieser Schutz gilt schon ab Abschluss des Arbeitsvertrags, auch wenn die Tätigkeit noch gar nicht aufgenommen wurde. Eine Kündigung durch den Arbeitgeber vor dem ersten Arbeitstag wäre in diesem Fall unwirksam (es sei denn, die zuständige Behörde erteilt ausnahmsweise eine Zustimmung, was nur in extremen Fällen geschieht). Das BAG hat 2020 klargestellt, dass der Kündigungsschutz von § 17 MuSchG auch bei einer Kündigung vor Dienstantritt greift.

Ein anderes Beispiel: Schwerbehinderte Menschen unterliegen einem besonderen Kündigungsschutz nach § 168 SGB IX – hier braucht der Arbeitgeber zur Kündigung vorher die Zustimmung des Integrationsamtes. Allerdings besteht dieser Schutz erst nach sechs Monaten Beschäftigung, sodass vor oder unmittelbar nach Arbeitsantritt in der Regel noch keine Zustimmung erforderlich ist (um Arbeitgeber nicht von Einstellungen abzuschrecken). Tipp: Arbeitgeber sollten dennoch im Einzelfall prüfen, ob besondere Kündigungsschutzvorschriften (z. B. auch für Betriebsratsmitglieder, in Elternzeit etc.) eingreifen könnten, bevor sie vorab kündigen. Im Zweifel ist juristischer Rat ratsam.

Empfehlungen

Zusammengefasst: Ein Arbeitsverhältnis kann grundsätzlich schon vor dem ersten Arbeitstag von beiden Seiten gekündigt werden, aber es gelten die normalen Regeln des Arbeitsrechts:

  • Kündigungsfrist beachten: Die Frist läuft ab Zugang der Kündigung, nicht erst ab Arbeitsbeginn. Wenn die Frist vor dem Starttermin endet, muss niemand mehr zur Arbeit erscheinen; läuft sie darüber hinaus, muss der Arbeitnehmer theoretisch noch bis Fristende arbeiten (und der Arbeitgeber zahlen).
  • Vertragliche Klauseln prüfen: Ist im Arbeitsvertrag ein Kündigungsverbot vor Arbeitsantritt vereinbart oder steht dort, dass die Frist erst mit Arbeitsbeginn läuft, kann nicht vorab gekündigt werden. Dann bleibt nur die Kündigung zum nächstmöglichen Termin nach Beschäftigungsbeginn – oder eine einvernehmliche Lösung.
  • Form und Zugang sicherstellen: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 623 BGB). Sie sollte so rechtzeitig versendet werden, dass der Empfänger sie vor dem ersten Arbeitstag erhält. Am besten per Einwurf-Einschreiben oder Übergabe mit Zeugen, um den Zugang nachweisen zu können.
  • Kein Kündigungsschutz, aber Sonderfälle: Vor Arbeitsantritt besteht kein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem KSchG, da die sechsmonatige Wartezeit noch nicht erfüllt ist. Eine betriebsbedingte Kündigung o. Ä. braucht also keine soziale Rechtfertigung. Achtung: Besondere Schutzgesetze (Schwangere, etc.) können dennoch greifen und die Kündigung verbieten.
  • Vertragsstrafe und Schadensersatz: Haben die Parteien eine Vertragsstrafe für Nichtantritt vereinbart, kann diese bei unberechtigtem Fernbleiben fällig werden. Üblich sind Beträge bis etwa ein Monatsgehalt. Auch ohne Vertragsstrafe kommt ein Schadensersatz in Betracht, wenn z. B. ein Projekt wegen Nichtantritts verzögert wird. In der Praxis ist es allerdings oft schwierig, den Schaden konkret nachzuweisen.

Arbeitnehmer-Tipp: Wenn Sie einen unterschriebenen Vertrag doch nicht antreten wollen, prüfen Sie zunächst Ihren Vertrag auf Klauseln zum Kündigungsausschluss oder Vertragsstrafen. Kündigen Sie schriftlich so früh wie möglich – spätestens so, dass die Frist vor dem ersten Arbeitstag endet. Falls das nicht mehr gelingt, suchen Sie rechtzeitig das Gespräch für einen Aufhebungsvertrag. Keinesfalls einfach nicht erscheinen!

Arbeitgeber-Tipp: Auch Arbeitgeber sollten den neuen Arbeitsvertrag prüfen. Ohne Kündigungsausschluss können Sie vor Dienstantritt kündigen – idealerweise so früh, dass der Mitarbeiter gar nicht erst erscheint. Halten Sie die Frist und Schriftform ein. Einen Grund müssen Sie nicht nennen, außer in seltenen Sonderfällen. Falls ein Kündigungsausschluss vereinbart war oder die Frist nicht mehr reicht, bieten Sie eine einvernehmliche Lösung an. Das erspart beiden Seiten unnötigen Aufwand, wenn klar ist, dass man getrennte Wege gehen will.

Zu guter Letzt: Im Zweifel rechtlich beraten lassen. Gerade wenn Vertragsklauseln unklar sind oder besondere Umstände vorliegen, kann die Einschätzung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht helfen, teure Fehler zu vermeiden. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten bei Unsicherheit frühzeitig ihre Rechte und Pflichten klären, um bei einer Kündigung vor dem ersten Arbeitstag auf der sicheren Seite zu sein.