Der Dax-Konzern Bayer hat am Montag angekündigt, seinen Agrar-Chemiestandort im Industriepark Höchst in Frankfurt am Main bis Ende 2028 zu schließen. Betroffen sind bis zu 500 Arbeitsplätze in Produktion und Forschung – ein Novum in der 162‑jährigen Unternehmensgeschichte. Bayer begründet den Schritt mit massiv gestiegenem Preis- und Regulierungsdruck, insbesondere durch Überkapazitäten asiatischer Generikahersteller, deren Angebot teilweise unter den europäischen Herstellungskosten liegt. Gewerkschaften und Politik zeigen sich empört und fordern ernsthafte Verhandlungen über Alternativen.
Hintergrund und Begründung der Schließung
- Produktions- und Forschungsstandort: In Frankfurt stellt Bayer Unkrautbekämpfungsmittel her und forscht zu Pflanzenschutzmitteln.
- Regulatorische Hürden: Strengere Genehmigungsverfahren in Deutschland verteuern und verzögern den Marktzugang neuer Wirkstoffe.
- Preisdruck aus Asien: Asiatische Hersteller von Pflanzenschutzmittel‑Generika haben in den letzten Jahren große Überkapazitäten aufgebaut und drängen mit dauerhaft extrem niedrigen Preisen in den Markt – teilweise unter den Produktionskosten in Europa.
- Strategische Neuausrichtung: Bayer bündelt Forschung und Entwicklung künftig in Monheim am Rhein (Nordrhein‑Westfalen) und verlagert Teile der Produktion nach Dormagen und Knapsack (beide NRW). Für weitere Fertigungsbereiche soll ein externer Käufer gefunden werden.
Ausmaß der Auswirkungen
- Frankfurt (Höchst): Bis zu 500 Stellen in Produktion und Forschung entfallen.
- Dormagen (nahe Leverkusen): Weitere 200 der bislang rund 1.200 Arbeitsplätze in der Produktion sollen wegfallen.
- Gesamtkonzern: Unter Konzernchef Bill Anderson hat Bayer seit Ende 2023 konzernweit Personalabbau betrieben – von knapp 100.000 auf rund 93.000 Beschäftigte Ende 2024.
Rechtliche Rahmenbedingungen betriebsbedingter Kündigungen
- Dringende betriebliche Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 KSchG) müssen die Weiterbeschäftigung unmöglich machen.
- Sozialauswahl: Schutzwürdigkeit nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung.
- Betriebsratsanhörung: Nach § 102 BetrVG muss der Betriebsrat zustimmen – andernfalls sind Kündigungen unwirksam.
- Kündigungsfrist und Form: Schriftform und Fristwahrung
Stellungnahmen von Gewerkschaft und Politik
- IG BCE/ Betriebsrat: Francesco Grioli (IG BCE) kritisiert, dass erstmals ein deutscher Standort aufgegeben werde und fordert die Prüfung sozialverträglicher Alternativen.
- Hessischer Wirtschaftsminister (SPD) Kaweh Mansoori: „Die Schließung eines hessischen Standorts ist für uns völlig inakzeptabel. Sie widerspricht den Prinzipien der Sozialpartnerschaft.“ Er stellte Unterstützung seitens des Landes bei fairen Verhandlungen in Aussicht und forderte Bayer zu ernsthaftem Dialog mit den Beschäftigtenvertretern auf.
Handlungsschritte für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
- Kündigungsschreiben prüfen: Form, Frist, Inhalt.
- Widerspruch einlegen: Innerhalb von drei Wochen (§ 4 KSchG).
- Klage erheben: Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht, ebenfalls binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung.
- Sozialplan und Abfindung verhandeln: Betriebsräte und Gewerkschaft frühzeitig einbinden.
- Beratung suchen: Fachanwälte für Arbeitsrecht sowie Gewerkschaftsberater unterstützen bei Verfahren und Verhandlungen.
Arbeitslosengeld und externe Unterstützung
- Agentur für Arbeit: Unverzügliche Arbeitslosmeldung, ggf. Umschulungen und Weiterbildungen.
- Transfergesellschaften: Spezielle Angebote bei Massenentlassungen zur Überbrückung und Qualifizierung.
- Sozialberatung: Hilfe bei finanziellen Engpässen und Zugang zu Sozialleistungen.
Ausblick und Fazit
Die Ankündigung der Bayer‑Schließung in Frankfurt ist für die Beschäftigten ein harter Einschnitt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verfügen jedoch über weitreichende gesetzliche Schutzrechte: von der Sozialauswahl über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bis hin zur Kündigungsschutzklage. Eine frühzeitige, professionelle Beratung und ein engagierter Schulterschluss mit der IG BCE können helfen, Härten abzufedern und sozialverträgliche Lösungen zu erzielen.