Frommern / Lindenstruth / Balingen – Die Belegschaft der Weiss-Technik-Standorte lebt derzeit in wachsender Unsicherheit: Bei einer internen Information am Standort Frommern wurde bestätigt, dass ein Stellenabbau bevorsteht. Konkrete Zahlen nannte das Unternehmen bislang nicht – doch die Sorge ist greifbar. Medienberichte sprechen davon, dass bis zu 114 der rund 430 Arbeitsplätze betroffen sein könnten. Damit stünde mehr als jedem vierten Beschäftigten die Kündigung bevor.
Und nicht nur in Frommern sorgt diese Entwicklung für Unruhe: Auch in Lindenstruth (Hessen) und Balingen (Baden-Württemberg), zwei weiteren Standorten des zur Schunk-Group gehörenden Unternehmens, wird über tiefgreifende Einschnitte gesprochen. Laut IG Metall drohen in Lindenstruth gar bis zu 247 Stellen wegzufallen. Der Stellenabbau trifft Weiss-Technik damit offenbar konzernweit.
Hintergrund: Auftragseinbruch aus der Automobilbranche
Als Grund für die geplanten Einschnitte nennt Unternehmenssprecher Neill Busse die schwächelnde Auftragslage, insbesondere im Bereich der Automobilindustrie – einem Hauptkunden des Unternehmens. Bereits im vergangenen Jahr reagierte man in Balingen mit Kurzarbeit auf rückläufige Aufträge. Die Lage scheint sich nicht gebessert zu haben. Busse: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Aufträge nicht auf gewohntem Niveau zurückkehren.“ Eine dauerhafte Reduzierung der Personalkapazität sei daher unausweichlich.
Trotz dieser Aussagen betont das Unternehmen, dass es sich noch in Gesprächen mit den Betriebsräten befinde – verbindliche Entscheidungen über konkrete Kündigungen seien bislang nicht gefallen.
Was heißt das rechtlich für die Arbeitnehmer?
1. Keine Kündigungen während der Verhandlungen:
Nach § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) müssen Arbeitgeber bei größeren Entlassungswellen nicht nur die Bundesagentur für Arbeit informieren, sondern auch frühzeitig den Betriebsrat beteiligen. Laut IG Metall dürfen derzeit keine Kündigungen ausgesprochen werden – das liegt daran, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat noch in der sogenannten Informations- und Beratungsphase befinden. Kündigungen in dieser Phase wären rechtlich angreifbar.
2. Sozialplan und Interessenausgleich:
Bei einem derart massiven Stellenabbau ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln (§§ 111 ff. BetrVG). Das bedeutet konkret:
- Im Interessenausgleich wird geregelt, ob, wann und wie viele Kündigungen erfolgen sollen.
- Im Sozialplan wird ausgehandelt, wie die wirtschaftlichen Nachteile für die Betroffenen abgemildert werden – etwa durch Abfindungen, Transfergesellschaften oder Fortbildungen.
3. Vorrang für betriebsbedingte Kündigungen:
Sollten Kündigungen ausgesprochen werden, wären diese höchstwahrscheinlich betriebsbedingt. Das setzt voraus, dass die Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen und eine Weiterbeschäftigung – auch auf anderen Positionen im Betrieb – nicht möglich ist. Der Arbeitgeber muss hierbei eine Sozialauswahl treffen, bei der Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigt werden (§ 1 Abs. 3 KSchG). Fehlerhafte Sozialauswahlen können zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Gewerkschaft zeigt Kampfbereitschaft
Die IG Metall Albstadt hat bereits klargemacht, dass sie um jeden Arbeitsplatz kämpfen will. Gewerkschaftssekretär Gerald Müller kündigte an, das von der Arbeitgeberseite vorgelegte Konzept zur Zukunft des Standorts genau zu prüfen. Der Betriebsrat sei bereits mit anwaltlicher Unterstützung und Wirtschaftsgutachtern aktiv. Beschäftigte berichten, dass die Stimmung von Besorgnis, aber auch von Solidarität geprägt sei.
Am vergangenen Donnerstag fand am Standort Balingen eine Betriebsversammlung statt, bei der die Beschäftigten über den aktuellen Stand informiert wurden. Weitere Versammlungen sind offenbar geplant.
Was betroffene Beschäftigte jetzt tun sollten
1. Ruhe bewahren und Informationen einholen:
Kündigungen sind – entgegen mancher Gerüchte – noch nicht ausgesprochen worden. Wichtig ist, dass Beschäftigte sich nicht auf bloße Aussagen verlassen, sondern die offiziellen Informationen durch Betriebsrat und Gewerkschaft abwarten.
2. Mitgliedschaft in der Gewerkschaft prüfen:
IG Metall-Mitglieder haben Anspruch auf Rechtsberatung, Vertretung im Kündigungsschutzprozess und Unterstützung in Verhandlungen über Abfindungen.
3. Rechtsschutz frühzeitig sichern:
Sollte eine Kündigung erfolgen, muss innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Wer diese Frist verpasst, verliert in der Regel seine Ansprüche. Daher ist es ratsam, rechtzeitig Kontakt zu einem Fachanwalt für Arbeitsrecht aufzunehmen – besonders bei unklarer Sozialauswahl oder Verdacht auf fehlerhafte Kündigungen.
4. Gespräch mit dem Betriebsrat suchen:
Der Betriebsrat ist die erste Anlaufstelle für betriebsinterne Informationen und kann auch individuelle Beratung bieten.
Fazit:
Noch ist nichts entschieden – aber die Zeichen deuten auf einen massiven Umbruch bei Weiss-Technik hin. Für die Beschäftigten bedeutet das: wachsam bleiben, sich rechtlich absichern und gemeinsam mit Betriebsrat und Gewerkschaft für faire Lösungen kämpfen. In Krisenzeiten gilt mehr denn je: Wer informiert ist, hat die besseren Karten.
Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Betroffene Arbeitnehmer sollten im Falle einer konkreten Kündigung oder Abfindungsvereinbarung rechtlichen Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht einholen. Gewerkschaftsmitglieder können sich direkt an ihre IG Metall-Geschäftsstelle wenden.