Ein Arbeitnehmer besucht eine Karnevalsveranstaltung, obwohl er krankgeschrieben ist – kann das den Job kosten?
Der Fall: Krankgeschrieben und auf Karnevalsfeier
Ein langjähriger Logistik-Mitarbeiter meldete sich Ende 2022 und Anfang 2023 wegen eines akuten Atemwegsinfekts arbeitsunfähig. Während dieser Krankschreibungen nahm er jedoch an zwei abendlichen Veranstaltungen seines Karnevalsvereins teil. Konkret besuchte er am 4. November 2022 einen „Mobilmachungsappell“ und am 5. Januar 2023 einen „Generalkorpsappell“ – jeweils in Uniform und für etwa ein bis zwei Stunden. Sein Arbeitgeber schöpfte Verdacht, der Mitarbeiter könnte seine Krankheit nur vorgetäuscht haben, zumal ein Video von der Teilnahme im Internet auftauchte. Daraufhin hörte der Arbeitgeber den Mitarbeiter zu den Vorwürfen an (der Mitarbeiter schwieg weitgehend) und kündigte das Arbeitsverhältnis gleich mehrfach: zunächst außerordentlich fristlos, dann ordentlich und schließlich vorsorglich als Verdachtskündigung, jeweils unter Beteiligung des Betriebsrats. Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage.
Die Entscheidung des LAG Köln
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln stellte sich auf die Seite des Arbeitnehmers und erklärte alle Kündigungen für unwirksam. Weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung konnten rechtlich bestehen, und auch die Verdachtskündigung scheiterte. Die wichtigsten Gründe aus dem Urteil (Az. 7 SLa 204/24 vom 21.01.2025) lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Vortäuschung einer Erkrankung – Beweislast beim Arbeitgeber: Behauptet der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer habe seine Arbeitsunfähigkeit nur simuliert, muss der Arbeitgeber das voll beweisen. Er trägt die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine echte Krankheit vorlag und das Fehlen unentschuldigt war. Solange der Arbeitnehmer eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorlegt, genießt diese einen hohen Beweiswert vor Gericht. Sie ist der gesetzlich vorgesehene und wichtigste Beweis für die Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber kann diesen Beweiswert nur durch konkrete Umstände erschüttern, etwa indem er nachweist, dass der Arbeitnehmer den Arzt durch Simulation getäuscht hat oder offensichtliche Widersprüche bestehen. Gelingt dem Arbeitgeber eine solche Erschütterung der AU-Bescheinigung, tritt die Beweislage wieder wie ohne Attest ein. Dann muss der Arbeitnehmer seinerseits detailliert darlegen, welche Krankheit und Symptome er hatte, welche Medikamente oder ärztlichen Anweisungen es gab etc., und er sollte den Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Kommt der Arbeitnehmer dieser Substantiierung nach, liegt es erneut am Arbeitgeber, diese Angaben zu widerlegen. – Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber zwar Indizien (die Feier-Teilnahmen) und konnte damit den Anfangsbeweis erschüttern, zumindest für die Januar-Krankschreibung. Doch der Arbeitnehmer reagierte, trug seine Atemwegsinfektion samt milder Symptome vor und legte sogar eine ärztliche Bestätigung vor. Sein Hausarzt bestätigte auf Nachfrage des Gerichts die Diagnosen und betonte, dass die kurzen Teilnahmen an den Veranstaltungen die Genesung nicht verzögert haben. Damit hatte der Arbeitnehmer seiner Mitwirkungspflicht genügt – und der Arbeitgeber konnte im Anschluss keinen Vortäuschungsnachweis führen. Ergebnis: Der Vorwurf einer vorgetäuschten Krankheit ließ sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit beweisen.
- Freizeitaktivitäten während der Krankschreibung: Was man während einer Krankschreibung tun darf, hängt davon ab, ob die Tätigkeit der Genesung abträglich ist oder den Genesungsprozess verzögert. Grundsätzlich gilt kein generelles „Ausgehverbot“ – der Arbeitnehmer muss aber alles unterlassen, was seine Heilung wesentlich behindert. Im vorliegenden Fall war entscheidend, zu welchem Zeitpunkt die Karnevalsbesuche stattfanden. Für den 4.11.2022 stellte das LAG klar, dass die Arbeitsunfähigkeit an dem Tag mit Ende der regulären Arbeitszeit endete (da der Arzt die Dauer bis einschließlich 04.11. bescheinigt hatte). Die abendliche Teilnahme am 04.11. lag also nach Ende der Krankschreibung und erschütterte den Beweiswert der AU-Bescheinigung nicht. Anders der 5.1.2023: An diesem Tag war der Kläger noch krankgeschrieben (bis 6.1.), sodass die Teilnahme an der Veranstaltung während der bescheinigten Krankheit erfolgte. Dies weckte zwar berechtigte Zweifel beim Arbeitgeber und erschütterte zunächst den Beweiswert der AU für diesen Zeitraum. Doch wie oben beschrieben, reichte der bloße Verdacht nicht aus – die tatsächlichen Umstände mussten objektiv gravierend genug sein, um eine Vortäuschung anzudeuten. Hier war der Arbeitnehmer mit einem Erkältungsinfekt nur kurz auf der Veranstaltung und fühlte sich bereits fast genesen. Das LAG betonte, dass nicht jede Aktivität während einer Krankheit eine vorgetäuschte Erkrankung bedeutet. Die Grenze zwischen arbeitsunfähig und schon wieder arbeitsfähig kann z.B. bei Erkältungen fließend sein, insbesondere gegen Ende der Krankheitsdauer. Ein Vergleichsfall verdeutlicht den Unterschied: Wäre der Mitarbeiter etwa mit einem akuten Bandscheibenvorfall krankgeschrieben gewesen und trotzdem abends ausgelassen auf der Bühne tanzen gegangen, läge ein starkes Indiz für Simulation vor. Im tatsächlichen Fall der Atemwegsinfektion war die kurze Anwesenheit bei der Sitzung jedoch nicht vergleichbar belastend wie ein voller Arbeitstag – daher genügte sie allein nicht, um die Arbeitsunfähigkeit ernsthaft in Frage zu stellen. Genesungswidriges Verhalten (also ein Verhalten, das die Heilung verzögert, obwohl man wirklich krank ist) war hier ebenfalls nicht nachweisbar – und wurde vom Gericht nur am Rande erwähnt. Wichtig: Genesungswidriges Verhalten ist rechtlich ein anderer Vorwurf als Vortäuschung; wer genesungswidrig handelt, ist tatsächlich krank, verhält sich aber nicht korrekt. Im Urteil wurde klargestellt, dass diese beiden Vorwurfsarten sich gegenseitig ausschließen und gesondert behandelt werden müssen. Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber den Aspekt „genesungswidrig“ nicht ordnungsgemäß in die Anhörung eingebracht, weshalb darauf eine Kündigung ohnehin nicht gestützt werden durfte.
- Betriebsratsanhörung – vollständige Information erforderlich: In Betrieben mit Betriebsrat muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat alle Kündigungsgründe und relevanten Umstände mitzuteilen. Im vorliegenden Fall hat das LAG der Arbeitgeberseite einen schweren Verfahrensfehler angelastet: Bei der Verdachtskündigung im November 2023 hatte der Arbeitgeber dem Betriebsrat wichtige entlastende Informationen vorenthalten. Zwar war der Betriebsrat vor jeder Kündigung formal angehört worden und hatte jeweils zugestimmt. Jedoch hatte der Arbeitgeber dem Gremium nur den ursprünglichen Verdacht (Mitarbeiter nimmt trotz Krankschreibung an Karneval teil) mitgeteilt, nicht aber die inzwischen im Prozess bekannt gewordenen Details zur Erkrankung und die ärztliche Stellungnahme, die den Arbeitnehmer entlasteten. Aus Sicht des LAG durfte der Arbeitgeber solche bekannten, objektiv zugunsten des Mitarbeiters sprechenden Umstände nicht unterschlagen, nur weil er sie selbst für unwesentlich hielt. Die subjektive Einschätzung des Arbeitgebers darüber, was relevant ist, tritt zurück, wenn sonst der Zweck der Anhörung – nämlich der Betriebsrat soll sich ein eigenes, umfassendes Bild machen und ggf. zugunsten des Arbeitnehmers argumentieren können – verfehlt würde. Im Ergebnis führte die unvollständige Anhörung hier dazu, dass die Verdachtskündigung allein aus diesem formalen Grund unwirksam war.
- Neue Erkenntnisse erfordern erneute Anhörung: Eng verknüpft mit Punkt 3 ist ein weiterer Grundsatz aus dem Urteil: Erlangen Arbeitgeber nach Abschluss der ersten Betriebsratsanhörung, aber noch vor Ausspruch der Kündigung neue erhebliche Informationen, müssen sie den Betriebsrat nochmals anhören, bevor die Kündigung erklärt wird. Im entschiedenen Fall kam die schriftliche Stellungnahme des behandelnden Arztes (die die Erkrankung und fehlende Gefährdung der Genesung bestätigte) am 08.11.2023 bei der Arbeitgeberin an. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die erste Anhörung bereits beendet war, hätte der Arbeitgeber angesichts dieser neuen, für die Würdigung wichtigen Tatsache den Betriebsrat erneut informieren und um Stellungnahme bitten müssen. Das ist nicht geschehen – die Kündigung vom 14.11.2023 wurde ohne erneute Anhörung ausgesprochen. Auch dies verletzte § 102 BetrVG und trug zur Unwirksamkeit der Kündigung bei. Der Arbeitgeber kann also eine einmal durchgeführte Anhörung nicht als Freibrief sehen, sondern muss bis zum Ausspruch der Kündigung auf dem aktuellen Stand informieren, falls sich die Sachlage zugunsten des Arbeitnehmers verändert.
Praxistipps für Arbeitnehmer
- Freizeitverhalten mit Bedacht wählen: Auch wenn keine allgemeine „Haft“ während der Krankschreibung besteht, sollten Arbeitnehmer gut abwägen, welche Aktivitäten sie unternehmen. Grundsätzlich dürfen Sie alles tun, was der Gesundung nicht schadet. Ein kurzer Spaziergang oder – je nach Krankheit – sogar mal eine kulturelle Veranstaltung kann zulässig sein, wenn es den Heilungsprozess nicht beeinträchtigt. Allerdings: Feiern, Sport oder anstrengende Unternehmungen trotz Krankschreibung können schnell als genesungswidrig oder sogar als Indiz für eine vorgetäuschte Krankheit gewertet werden. Überlegen Sie daher genau, ob eine bestimmte Aktivität wirklich ratsam ist. Im Zweifel sollte man ärztlichen Rat einholen. Im obigen Fall hatte der Arzt z.B. kein Ausgehverbot erteilt und die Teilnahme als unbedenklich für die Genesung eingeschätzt. Solche Rückendeckung werden Sie aber nicht bei jeder Erkrankung bekommen.
- Widerspruch zwischen Krankheit und Aktivität vermeiden: Fragen Sie sich ehrlich, ob Ihre geplante Aktivität mit dem Krankheitsbild vereinbar ist. Bei einer Grippe oder Corona-Infektion sollten Sie z.B. keine Party besuchen; bei Rückenleiden keinen Umzugskarton heben. Das LAG Köln hat klargemacht, dass auffällige Widersprüche (z.B. Bandscheibenvorfall und Polonaise auf der Tanzfläche) Ihren Kündigungsschutz stark gefährden. Fehlt ein solcher Widerspruch – wie im Urteil, wo ein sich besser fühlender Mitarbeiter nur kurz bei einer Sitzung war – steht das Recht in der Regel auf Ihrer Seite. Trotzdem gilt: Je spektakulärer Ihre Freizeitaktivität trotz Krankschreibung, desto eher riskieren Sie arbeitsrechtlichen Ärger.
- Im Kündigungsfall aktiv mitwirken: Werden Sie vom Arbeitgeber verdächtigt, die Krankheit nur vorgetäuscht zu haben, sollten Sie sich kooperativ zeigen, um Ihre Unschuld zu belegen. Das heißt insbesondere, dem Gericht und Arbeitgeber gegenüber Ihre Erkrankung so gut wie möglich zu substantiiert darzustellen: Welche Symptome hatten Sie, wie war der Verlauf, welche Medikamente wurden eingenommen, welche Schonung wurde empfohlen usw. Wichtig ist auch, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, damit dieser Ihre Angaben bestätigen kann. Im besprochenen Fall hat genau das dem Arbeitnehmer den Prozess gewissermaßen gerettet: Sein Arzt untermauerte die Krankschreibung und attestierte, dass das Freizeitverhalten die Heilung nicht verzögerte. Diese Mitwirkungspflicht obliegt Ihnen zwar erst, nachdem der Arbeitgeber konkrete Zweifel an der AU aufgezeigt hat, aber dann sollten Sie umfassend liefern – sonst steht Aussage gegen Aussage, und das Gericht könnte zu Ihren Lasten entscheiden.
- Betriebsrat einschalten: Sofern es einen Betriebsrat gibt, können Sie sich auch an diesen wenden. Der Betriebsrat wird vor jeder Kündigung angehört und kann zugunsten des Arbeitnehmers argumentieren. Er sollte daher alle entlastenden Informationen kennen. Zögern Sie nicht, dem Betriebsrat (natürlich ohne die ärztliche Schweigepflicht zu verletzen) Ihre Sicht der Dinge mitzuteilen, damit er im Anhörungsverfahren Ihre Interessen wahren kann. Im vorliegenden Fall wusste der Betriebsrat zunächst nichts von den Einzelheiten der Erkrankung – mit dem Ergebnis, dass er „in Ermangelung von Informationen“ die gesundheitlichen Gründe nicht berücksichtigen konnte. Dies zeigt, wie wichtig Transparenz gegenüber dem Betriebsrat ist. Letztlich war die fehlende Information hier zwar für den Arbeitnehmer vorteilhaft (die Kündigung war unwirksam), dennoch ist es in Ihrem Interesse, bereits frühzeitig alles zu unternehmen, um eine Kündigung zu verhindern. Ein informierter Betriebsrat kann im besten Fall die Kündigung verhindern, bevor sie erfolgt.
Praxistipps für Arbeitgeber
- Genau hinsehen, bevor Sie kündigen: Begegnen Sie Aktivitäten krankgeschriebener Mitarbeiter mit Augenmaß. Nicht jede Teilnahme an einer Feier bedeutet automatisch Betrug. Prüfen Sie den Einzelfall und das Krankheitsbild. War der Arbeitnehmer am letzten Tag der Krankschreibung abends kurz unterwegs, ist das in der Regel unproblematisch. Geht er jedoch während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit auf ausgedehnte Feiern, sportelt oder verreist ohne medizinische Notwendigkeit, dürfen Sie hellhörig werden. Entscheidend ist, ob die Aktivität objektiv zum Krankheitsbild passt oder ob ein krasser Widerspruch vorliegt. Letzteres kann den Beweiswert der AU deutlich erschüttern (z.B. Beinbruch und Tanzen), während erstere Konstellationen – wie im LAG-Fall ein mildes Erkältungsleiden und nur kurze Schonzeit-Verletzungen – noch keinen Kündigungsgrund abgeben. Ziehen Sie bei Zweifeln ärztliche Expertise hinzu: Eine Rückfrage beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) oder eine Stellungnahme des behandelnden Arztes kann helfen zu beurteilen, ob das Verhalten des Mitarbeiters mit seiner Genesung vereinbar war.
- Beweise sorgfältig sammeln: Wollen Sie eine Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit aussprechen, brauchen Sie harte Fakten. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Hürden hierfür hoch sind. Dokumentieren Sie auffällige Vorfälle (Fotos, Videos, Zeugenberichte). Achten Sie auf Widersprüche: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer, der bettlägerig sein müsste, aber beim Sportturnier mitmacht, liefert ein starkes Indiz. Hingegen reicht der bloße Verdacht oder ein vages Gefühl nicht aus. Im LAG Köln-Fall etwa reichte das Video vom Karneval allein nicht – der Mitarbeiter konnte es plausibel erklären. Überlegen Sie auch alternative Schritte: Anstatt direkt zu kündigen, kann es eine Option sein, zunächst die Entgeltfortzahlung zu verweigern und auf eine gerichtliche Klärung zu warten. Im Entgeltfortzahlungsprozess trägt nämlich der Arbeitnehmer die volle Beweislast für seine Krankheit, sobald Sie den Beweiswert der AU erschüttert haben. Dieses taktische Vorgehen hat niedrigere Hürden als eine Kündigung. Dennoch sollten Sie auch dafür stichhaltige Gründe haben.
- Verdachtskündigung rechtssicher gestalten: Wenn ein eindeutiger Tatnachweis (also 100% Beweis für vorgetäuschte Krankheit) nicht gelingt, kommt eventuell eine Verdachtskündigung in Betracht. Hierbei kündigen Sie wegen des dringenden Verdachts eines schweren Fehlverhaltens. Beachten Sie jedoch strikt die Vorgaben: Der Verdacht muss dringend, also stark und objektiv gerechtfertigt sein. Vor Ausspruch müssen Sie den Arbeitnehmer anhören und ihm Gelegenheit zur Entkräftung geben – was im Fall geschehen ist (der Mitarbeiter schwieg allerdings). Vor allem aber müssen Sie den Betriebsrat umfassend informieren (siehe nächster Punkt). Verdachtskündigungen sind heikel und häufig Streitgegenstand vor Gericht; im Zweifel sollte man rechtlichen Rat einholen, bevor man diesen Schritt geht.
- Betriebsratsanhörung ernst nehmen: Formfehler können Ihnen jede noch so gut begründete Kündigung zunichtemachen. Informieren Sie den Betriebsrat vollständig über alle bekannten Umstände des Falls. Dazu gehören auch solche Fakten, die pro Arbeitnehmer sprechen! Halten Sie nichts zurück, nur weil Sie glauben, es sei irrelevant oder es erschwere Ihre Kündigungsabsicht. Das LAG Köln betont, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat keine Informationen vorenthalten darf, die bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers wirken könnten. Gerade wenn ein Mitarbeiter – vielleicht erst im laufenden Prozess – entlastende Aspekte vorbringt (ärztliche Atteste, detaillierte Krankheitsschilderung etc.), müssen Sie den Betriebsrat darüber informieren, bevor Sie kündigen. Gegebenenfalls ist eine neue oder ergänzende Anhörung durchzuführen, falls die erste Anhörung schon abgeschlossen war. Unterlassen Sie dies, ist die Kündigung schon aus formellen Gründen unwirksam. Im besprochenen Fall wurde genau das dem Arbeitgeber zum Verhängnis: Er hatte die Ausführungen des Arbeitnehmers und die Arztbescheinigung nicht an den Betriebsrat weitergegeben. Ergebnis war eine unwirksame Kündigung wegen Verletzung des § 102 BetrVG. Fazit: Sorgfalt in der Betriebsratsanhörung ist das A und O – im Zweifel lieber zu viel mitteilen als zu wenig.
- Fazit für Arbeitgeber: Kündigungen wegen vorgetäuschter Krankheit sind juristisch schwierig durchzusetzen. Die Arbeitsgerichte verlangen klare Nachweise und ahnden Verfahrensfehler streng. Die LAG-Entscheidung zeigt, dass selbst auffälliges Verhalten während einer Krankschreibung nicht automatisch für eine Kündigung ausreicht, wenn der Arbeitnehmer eine schlüssige Erklärung und ärztliche Rückendeckung hat. Gleichzeitig warnt das Urteil Arbeitgeber davor, die Betriebsratsbeteiligung zu unterschätzen – hier liegt oft ein „Knackpunkt“, an dem Kündigungen scheitern. Planen Sie im Zweifel alternativ Maßnahmen (Abmahnung, Einschaltung des MDK, Einstellung der Lohnfortzahlung) und lassen Sie sich beraten, um keine vorschnellen Schritte zu gehen.