Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren und ein harter Sparkurs – was die Beschäftigten jetzt wissen müssen
Die Regale sind zum Teil bereits leer geräumt, die Auslage nur noch ein Schatten früherer Vielfalt: Seitdem das Amtsgericht Duisburg zum 1. März 2025 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung über die Kodi Diskontläden GmbH eröffnete, läuft der große Ausverkauf. Bis spätestens Ende Juni sollen 80 Filialen geschlossen und abgewickelt sein – eine bittere Realität für die 480 Mitarbeiter vor Ort und weitere 40 in der Oberhausener Zentrale, die bereits ihre Kündigung in Händen halten.
Doch nicht alle blicken ins Leere: Ein Investorenkonsortium um Kodi-Gesellschafter Richard Nölle hat zum 1. April die Vermögenswerte übernommen und sicherte den Fortbestand von 150 Filialen sowie die Arbeitsplätze von rund 1.200 Beschäftigten. Was Arbeitnehmer jetzt wissen müssen und welche Stolpersteine noch lauern, beleuchtet dieser Artikel.
Handelsriese in der Schieflage
Gegründet im Jahr 1981, wuchs Kodi über vier Jahrzehnte zu einem bundesweiten Discount-Anbieter für Haushaltswaren und Drogerieartikel. Im November 2024 beantragte die Geschäftsführung überraschend ein Schutzschirmverfahren beim Amtsgericht Duisburg – ein Signal höchster Alarmstufe. Die Gründe nannte das Unternehmen klar: sinkende Kundenfrequenz, eine spürbare Zurückhaltung bei Kaufentscheidungen und massiv gestiegene Kosten für Energie, Logistik und Werbung.
„Wir mussten schnell handeln, um eine vollständige Zahlungsunfähigkeit zu verhindern“, erklärt Insolvenzverwalter Dr. Tobias Meier, der das Verfahren begleitet. „Die Eigenverwaltung ermöglicht es, den Geschäftsbetrieb kontrolliert fortzuführen und parallel tragfähige Lösungen zu suchen.“
Die Filialschließungen: Zahlen und Fakten
Region | Anzahl betroffener Filialen | Gekündigte Beschäftigte |
---|---|---|
Nordrhein-Westfalen | 64 | 380 |
übrige Bundesländer | 16 | 100 |
Gesamt | 80 | 480 |
Die Schließungen betreffen ein dichtes Filial-Netz, darunter zahlreiche Standorte im Ruhrgebiet und Rheinland: Aachen, Bielefeld, Bocholt, Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Köln und viele mehr. Bis Ende Juni sollen die Türen endgültig verriegelt werden.
Parallel verhandelte Kodi mit Investoren über einzelne Filialübernahmen. Von ursprünglich rund 260 Standorten wurden 150 in das neue Portfolio übernommen.
Rechte und Pflichten im Insolvenzfall
Kündigungsschutz und Sozialauswahl
- Ordentliche Kündigung: Die Kodi-Mutter muss gesetzliche Fristen nach § 622 BGB einhalten. In der Regel beträgt die Kündigungsfrist vier Wochen zum Monatsende, kann sich aber je nach Betriebszugehörigkeit verlängern.
- Sozialauswahl: Nach § 1 KSchG sind Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Dennoch bleibt das betriebsbedingte Kündigungsrisiko hoch, wenn Standorte komplett eingestellt werden.
Insolvenzgeld und Forderungsanmeldung
Betroffene Beschäftigte haben Anspruch auf Insolvenzgeld für bis zu drei Monate vor Eröffnung des Verfahrens (§ 169 SGB III). Es gleicht ausgefallene Lohnzahlungen aus. Gleichzeitig müssen offene Forderungen (Resturlaub, Überstundenvergütung) binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe beim Insolvenzverwalter angemeldet werden (§ 174 InsO).
Betriebsübergang und Widerspruch
Für die 150 erhaltenen Filialen erfolgte am 1. April 2025 ein Betriebsübergang nach § 613a BGB. Damit gehen Arbeitsverträge automatisch auf den neuen Eigentümer über – inklusive aller Rechte und Pflichten. Arbeitnehmer können jedoch innerhalb eines Monats widersprechen und damit das Arbeitsverhältnis beenden.
Stimmen aus den Filialen
„Ich stehe seit 20 Jahren an der Kasse in Bochum und kann mir nicht vorstellen, künftig für einen neuen Betreiber zu arbeiten“, sagt Verkäuferin Marina L. und straffte die Schultern. „Aber gegen die Insolvenz bin ich machtlos.“
„Wir haben in der Zentrale bis zuletzt um Konzepte gerungen, wie man Kunden wieder in die Märkte bringt“, informiert Filialleiter Stefan K. aus Düsseldorf. „Letzten Endes waren die Rahmenbedingungen zu schwierig.“
Expertenrat: So schützen Sie Ihre Rechte
- Kündigung prüfen lassen: Lassen Sie die Wirksamkeit der Kündigung von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen.
- Insolvenzgeld beantragen: Melden Sie sich sofort bei der Agentur für Arbeit – der Anspruch verfällt nicht.
- Fristen im Blick behalten: Drei Wochen Widerspruch gegen Kündigung, zwei Monate zur Forderungsanmeldung.
- Zeugnisse sichern: Fordern Sie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis rechtzeitig schriftlich ein.
- Netzwerke aktivieren: Nutzen Sie Jobbörsen, Transfergesellschaften und Gewerkschaften für den nächsten Karriereschritt.
Blick nach vorn: Wege aus der Krise
Die Kodi-Insolvenz zeigt, wie empfindlich Einzelhandelsketten auf Kostensteigerungen und Nachfragerückgang reagieren. Während 1.200 Beschäftigte in den erhaltenen Filialen aufatmen können, stehen rund 520 weitere vor einer ungewissen Zukunft. Ein strukturierter Umgang mit Fristen und Ansprüchen sowie die zeitnahe Inanspruchnahme von Beratung eröffnet Chancen, persönliche Risiken zu minimieren.
Langfristig bleibt die Frage, ob Kodi in der umkämpften Handelslandschaft wieder zu alter Stärke findet – und ob die verbliebenen Filialen unter der Führung des neuen Konsortiums zu einem Vorzeigeprojekt für gelungene Sanierung werden. Für die Betroffenen gilt indes: Rechtzeitig handeln, um die eigene Existenz zu sichern.