Hintergrund: Einigung auf Stellenabbau in Reiskirchen und Balingen
Bei der Weiss Technik GmbH, einer Tochter der Schunk Group, steht ein erheblicher Personalabbau bevor. Was lange ein offenes Geheimnis war, ist nun offiziell bestätigt: Geschäftsführung, Betriebsräte und IG Metall haben sich auf einen Abbau von rund 350 Arbeitsplätzen an den Standorten Reiskirchen (Hessen) und Balingen-Frommern (Baden-Württemberg) geeinigt. Beide Werke leiden unter einem anhaltenden Auftragseinbruch in der Automobilindustrie, wodurch Aufträge dauerhaft zurückgegangen sind – diese Nachfrageschwäche zwingt das Unternehmen zu schmerzhaften Entscheidungen, so die Geschäftsführer Daniel Allendorf und Peter Kuisle. Insgesamt arbeiten an den beiden Standorten ca. 1350 Beschäftigte, von denen etwa ein Viertel betroffen sein wird.
Die Einigung mit den Arbeitnehmervertretern sieht neben dem reinen Stellenabbau umfassende strukturelle Maßnahmen vor, um die Folgen für die Belegschaft sozialverträglich zu gestalten. Laut der Pressemitteilung wurden ein Interessenausgleich und ein Sozialplan abgeschlossen. Zudem wurden begleitende Schritte vereinbart, darunter eine Transfergesellschaft, Qualifizierungsangebote, Vermittlungsunterstützung für neue Jobs, ein Freiwilligenprogramm sowie Aufhebungsvereinbarungen mit einzelnen Mitarbeitern. Die Belegschaft wurde Ende Juni/Anfang Juli in Betriebsversammlungen umfassend über das Verhandlungsergebnis und die geplanten Restrukturierungen informiert.
Wichtig für betroffene Arbeitnehmer: Bevor überhaupt betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, sollen vorrangig freiwillige Lösungen umgesetzt werden. Geplant ist ein mehrstufiges Vorgehen: Zunächst wird geprüft, ob Versetzungen innerhalb der Schunk Group möglich sind, um Entlassungen zu vermeiden. Ab 1. August 2025 startet ein Freiwilligenprogramm, in dessen Rahmen Beschäftigte freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden können (gegen Abfindung oder andere Anreize). Parallel dazu soll im August eine Transfergesellschaft ihre Arbeit aufnehmen, um Mitarbeitenden den Übergang in neue Beschäftigungen zu erleichtern. Betriebsbedingte Kündigungen kommen erst als letzte Option in Betracht – nämlich dann, wenn all diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die erforderliche Personalanpassung von 350 Stellen zu erreichen.
Für die betroffenen Beschäftigten stellen sich nun viele Fragen: Was bedeuten Interessenausgleich und Sozialplan konkret? Welche Rechte habe ich im Rahmen eines Sozialplans? Soll ich das Angebot einer Transfergesellschaft annehmen – und was passiert, wenn ich es ablehne? Wie hoch könnte eine Abfindung ausfallen? Und was ist zu tun, wenn am Ende doch eine Kündigung ins Haus flattert?
Im Folgenden geben wir einen umfassenden Rechtstipp, der diese Punkte erläutert und Ihnen als betroffenen Arbeitnehmer hilft, informierte Entscheidungen zu treffen.
Sozialplan und Interessenausgleich – was ist das?
Interessenausgleich und Sozialplan sind zwei zentrale Instrumente des Betriebsverfassungs- und Arbeitsrechts, die bei größeren Umstrukturierungen greifen:
- Interessenausgleich: Hierbei handelt es sich um eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über das “Ob“, “Wann“ und “Wie“ geplanter Änderungen im Betrieb (z.B. Massenentlassungen, Standortschließungen). Bei einem so umfangreichen Stellenabbau wie bei Weiss Technik muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich verhandeln (§§ 111, 112 BetrVG). Im Interessenausgleich wird also festgehalten, ob überhaupt Stellen abgebaut werden, in welchem Zeitraum und nach welchen Kriterien. Oft enthält er einen groben Ablaufplan der Umsetzung. In manchen Fällen wird darin auch eine Namensliste der betroffenen Mitarbeitenden aufgenommen. Achtung: Existiert eine solche Namensliste als Teil des Interessenausgleichs, wird gesetzlich vermutet, dass die Kündigungen dieser gelisteten Personen durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt sind. Die Gerichte prüfen dann die Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehler. Zudem kehrt sich die Beweislast um: Nicht mehr der Arbeitgeber muss die sozialen Rechtfertigungsgründe darlegen, sondern der Arbeitnehmer muss die Vermutung entkräften. Das macht es für Betroffene schwieriger, sich gerichtlich gegen eine Kündigung zu wehren, falls ihr Name auf so einer Liste steht. Allerdings kann eine falsche oder unfair zustande gekommene Namensliste im Einzelfall angefochten werden – hier empfiehlt sich unbedingt individuelle Rechtsberatung.
- Sozialplan: Dabei handelt es sich um eine Vereinbarung, in der Arbeitgeber und Betriebsrat festlegen, wie die wirtschaftlichen Nachteile der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgeglichen oder gemildert werden (§ 112 BetrVG). Einfach gesagt: Der Sozialplan ist ein Maßnahmenpaket zum Schutz der Beschäftigten, wenn die betrieblichen Veränderungen schon beschlossene Sache sind. Typische Inhalte eines Sozialplans sind Abfindungszahlungen, Verlängerung von Kündigungsfristen, Angebote zur Weiterbildung oder Eingliederungshilfen (z.B. Vermittlung in andere Jobs, Übernahme in eine Transfergesellschaft). Sozialpläne werden oft nach festen Formeln ausgehandelt – z.B. kann eine Abfindung pro Beschäftigungsjahr einen bestimmten Bruchteil des Monatsverdienstes betragen. Wichtig: Ein Sozialplan kann erzwingbar sein, d.h. der Betriebsrat kann ihn notfalls durch eine Einigungsstelle durchsetzen, wenn eine Betriebsänderung erheblich nachteilige Folgen hat (vorausgesetzt, das Unternehmen beschäftigt mehr als 20 Mitarbeiter und besteht seit über 4 Jahren). Im Fall Weiss Technik wurde der Sozialplan einvernehmlich vereinbart, um den Personalabbau sozial abzufedern.
Für Arbeitnehmer bedeutet dies zunächst einmal: Es gibt eine verbindliche Grundlage dafür, welche Leistungen und Hilfen Ihnen im Falle des Stellenabbaus zustehen. Abfindungen sind beispielsweise ein typischer Bestandteil – häufig abhängig von Betriebszugehörigkeit, Alter und Gehalt. Der Sozialplan bei Weiss Technik dürfte also regeln, in welcher Höhe Abfindungen gezahlt werden, welche Freiwilligenprogramme angeboten werden und dass eine Transfergesellschaft eingerichtet wird. Auch besondere Unterstützungen – etwa Outplacement-Beratung oder Qualifizierungsmaßnahmen – können dort festgelegt sein. All diese Vereinbarungen dienen dazu, Härten für die Beschäftigten abzumildern.
Wichtig: Ein Sozialplan schränkt nicht Ihr Kündigungsschutzrecht ein. Selbst wenn es Abfindungen gibt, können Sie im Grunde weiterhin eine Kündigungsschutzklage erheben, falls Ihnen gekündigt wird und Sie die Kündigung für unwirksam halten. Der Abschluss eines Sozialplans bedeutet also nicht, dass Sie auf Ihr Recht verzichten, gegen eine Kündigung vorzugehen. Allerdings entscheiden sich viele Arbeitnehmer im Rahmen von Sozialplänen freiwillig gegen eine Klage und nehmen die ausgehandelten Abfindungen an – dies ist letztlich eine individuelle Abwägung (dazu unten mehr).
Mehrstufiger Personalabbau: Freiwillige Lösungen vor Kündigungen
Wie angekündigt, soll der Abbau der 350 Stellen bei Weiss Technik schrittweise und möglichst sozialverträglich erfolgen. Das vereinbarte Maßnahmenpaket gibt betroffenen Mitarbeitern verschiedene Optionen, freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden oder sich neu zu orientieren, bevor es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt:
- Versetzung innerhalb des Konzerns: Zunächst prüft die Geschäftsführung, ob Mitarbeitern an anderen Standorten oder Unternehmen der Schunk Group Ersatzarbeitsplätze angeboten werden können. Für Beschäftigte kann dies eine Chance sein, im Konzern zu bleiben, ggf. an einem anderen Standort oder in einer anderen Sparte. Tipp: Wenn Ihnen ein anderer Arbeitsplatz angeboten wird, prüfen Sie das Angebot sorgfältig. Rechte wie Gehalt, Arbeitsort und Bedingungen sollten vergleichbar sein. Eine Versetzung ist nur zumutbar, wenn sie vertraglich abgedeckt ist oder mit Ihrer Zustimmung erfolgt. Lehnen Sie ein zumutbares Angebot ab, riskieren Sie allerdings, im nächsten Schritt doch gekündigt zu werden, da Ihr bisheriger Arbeitsplatz wegfällt.
- Freiwilligenprogramm (Abfindungsangebot): Ab 1. August 2025 startet ein Freiwilligenprogramm. Darunter versteht man meist ein Angebot des Arbeitgebers, dass Mitarbeiter freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden können – in der Regel gegen eine vereinbarte Abfindung oder andere Vorteile. Oft richtet sich so ein Programm z.B. an Mitarbeiter, die kurz vor der Rente stehen (Stichwort Vorruhestand) oder solche, die sich vielleicht ohnehin neu orientieren wollen. Für das Unternehmen hat das den Vorteil, dass Entlassungen vermieden werden; für die Freiwilligen kann es finanziell attraktiv gestaltet sein (z.B. durch Abfindungsaufschläge gegenüber dem normalen Sozialplan). Wichtig: Wenn Sie überlegen, dieses Angebot anzunehmen, informieren Sie sich genau über die Konditionen: Höhe der Abfindung, Beendigungstermin des Arbeitsverhältnisses, eventuelle Einschränkungen beim Arbeitslosengeld etc. Normalerweise versucht man, das Programm so zu gestalten, dass keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld eintritt – d.h. das Ausscheiden sollte frühestens zum Ende der regulären Kündigungsfrist erfolgen oder in eine Transfergesellschaft münden, damit die Bundesagentur für Arbeit keine Sanktion verhängt. Im Zweifel sollten Sie eine Beratung durch den Betriebsrat, die Gewerkschaft oder einen Fachanwalt in Anspruch nehmen, bevor Sie eine Aufhebungsvereinbarung unterschreiben. Denn ein Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis endgültig und kann nicht angefochten werden – anders als bei einer Kündigung ist hier keine Kündigungsschutzklage möglich, da Sie dem Vertrag ja zugestimmt haben.
- Transfergesellschaft: Als weiteren Baustein des Sozialplans hat Weiss Technik die Einrichtung einer Transfergesellschaft vereinbart. Eine Transfergesellschaft ist ein vom ursprünglichen Arbeitgeber losgelöstes Unternehmen, das ausscheidende Mitarbeiter für einen befristeten Zeitraum weiterbeschäftigt, um ihnen Qualifizierung und Unterstützung bei der Stellensuche zu bieten. Die betroffenen Arbeitnehmer würden also, wenn sie zustimmen, ihren bestehenden Arbeitsvertrag durch einen dreiseitigen Vertrag aufheben und einen neuen befristeten Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft eingehen. Vorteile: Man ist nicht direkt arbeitslos, sondern erhält für die Dauer der Transfergesellschaft weiter Gehalt (in Form von Transferkurzarbeitergeld, meist ca. 60–67 % des letzten Nettos, oft vom Arbeitgeber auf z.B. 80 % aufgestockt). Außerdem ist man weiterhin sozialversichert und kann an Fortbildungen teilnehmen. Die Transfergesellschaft bei Weiss Technik soll im August 2025 starten und vermutlich bis zu 12 Monate laufen (das ist die maximale Förderdauer für Transferkurzarbeitergeld). Wer in dieser Zeit eine neue Stelle findet, kann mit Prämien belohnt werden (sogenannte Mobilitätsprämien), um den Wechsel zu fördern. Wichtig: Die Teilnahme an der Transfergesellschaft ist freiwillig. Niemand kann Sie zwingen, dorthin zu wechseln. Lehnt ein Arbeitnehmer den Wechsel jedoch ab und steht sein bisheriger Arbeitsplatz endgültig wegfallbedingt auf der Streichliste, wird das Unternehmen voraussichtlich früher oder später eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen. Die Entscheidung will also gut überlegt sein: In der Transfergesellschaft haben Sie mehr Zeit und Unterstützung für die Neuorientierung, während eine direkte Kündigung zumindest sofortige Arbeitslosigkeit (nach Ablauf der Kündigungsfrist) bedeuten würde. Allerdings bleibt die Entscheidung bei Ihnen – Sie dürfen das Angebot ablehnen, ohne dadurch Ihre Abfindung komplett zu verlieren. Ein Sozialplan darf die Zahlung einer Abfindung nicht davon abhängig machen, dass Sie in die Transfergesellschaft wechseln. Das heißt, auch wer in die Transfergesellschaft geht, erhält seine Abfindung (ggf. etwas reduziert, je nach Sozialplanregelung), und umgekehrt darf Ihnen die Abfindung nicht vollständig gestrichen werden, nur weil Sie den Wechsel nicht mitmachen. Im Ergebnis soll das freiwillig bleiben. Ein großer Vorteil der Transfergesellschaft: Scheiden Sie planmäßig aus der Transfergesellschaft aus und haben noch keinen neuen Job, haben Sie unmittelbar Anspruch auf Arbeitslosengeld I ohne Sperrzeit – anders als bei einem normalen Aufhebungsvertrag gibt es hier typischerweise keine 12-wöchige Sperre, solange alles im Rahmen des Sozialplans abläuft. Denn der Wechsel in die Transfergesellschaft erfolgt ja gerade, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, und wird von der Agentur für Arbeit begleitet.
Zusammenfassend bietet der mehrstufige Plan bei Weiss Technik den Beschäftigten verschiedene Wege, die Situation abzufedern: Entweder einen internen Wechsel, ein geförderter Übergang via Transfergesellschaft oder ein freiwilliges Ausscheiden mit Abfindung. Das Ziel ist, möglichst viele Entlassungen zu vermeiden und den unvermeidbaren Abbau sozialverträglich zu gestalten. Erst wenn all diese Mittel ausgeschöpft sind und dennoch nicht genug Stellen abgebaut wurden, muss mit betriebsbedingten Kündigungen gerechnet werden.
Betriebsbedingte Kündigungen als letztes Mittel
Sollte am Ende des Prozesses klar werden, dass trotz Versetzungen, Freiwilligenprogramm und Transfergesellschaft nicht ausreichend viele Stellen abgebaut wurden, können betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Die Unternehmensleitung hat bereits angedeutet, dass dieser Schritt nur dann erfolgt, wenn das Bündel freiwilliger Maßnahmen nicht ausreicht. Was bedeutet das rechtlich?
Betriebsbedingte Kündigung heißt, dass die Entlassung aus dringenden betrieblichen Gründen erfolgt – hier also wegen Auftragsrückgangs und Wegfalls von Arbeitsplätzen. Gesetzlich ist so eine Kündigung nur wirksam, wenn dauerhaft die Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen und keine anderweitige Weiterbeschäftigung im Unternehmen möglich ist (§ 1 KSchG). Bei Weiss Technik wird man argumentieren, dass die Automobilkrise zu einem dauerhaften Auftragsrückgang führt, der 350 Arbeitsplätze überflüssig macht.
Wichtig für Arbeitnehmer: Der Arbeitgeber muss bei betriebsbedingten Kündigungen eine Sozialauswahl durchführen. Das bedeutet, er darf nicht einfach irgendwen kündigen, sondern muss unter vergleichbaren Arbeitnehmern diejenigen auswählen, die sozial am wenigsten schutzwürdig sind – Kriterien sind insbesondere Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung (§ 1 Abs.3 KSchG). In der Praxis wird oft ein Punktesystem verwendet, um diese Faktoren zu gewichten. Fehler bei der Sozialauswahl können die Kündigung unwirksam machen. Allerdings – wie oben schon erwähnt – falls ein Interessenausgleich mit Namensliste besteht, ist die Auswahl der dort genannten Personen nur begrenzt gerichtlich überprüfbar (nur auf grobe Fehler). Das heißt, wenn Ihr Name Teil einer zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbarten Liste war, stehen die Chancen einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage tendenziell schlechter. Doch auch dann sollten Sie nicht einfach resignieren: Lassen Sie im Zweifel individuell prüfen, ob die Sozialauswahl korrekt und fair war. Es gab durchaus Fälle, in denen trotz Namensliste Kündigungen angefochten wurden, etwa weil sich die Grundlagen verändert hatten oder bestimmte Härtefälle nicht berücksichtigt wurden.
Bevor Weiss Technik betriebsbedingte Kündigungen aussprechen darf, mussten zudem formal einige Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehört z.B. die Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit (§ 17 KSchG) – bei 350 geplanten Entlassungen absolut notwendig. Diese Anzeige und die Konsultation des Betriebsrats sind vorgeschrieben, andernfalls wären Kündigungen unwirksam. Nach aktuellem Stand wurde der Betriebsrat umfassend informiert und ein Interessenausgleich erzielt, sodass dieses Verfahren eingehalten wurde. Während der monatelangen Verhandlungen durften laut IG Metall ohnehin keine Kündigungen ausgesprochen werden – das wäre rechtswidrig gewesen. Nun, da der Sozialplan steht, könnten Kündigungen theoretisch erfolgen, aber eben nur wenn die freiwilligen Maßnahmen nicht genügen.
Sollten Sie tatsächlich eine Kündigung erhalten, beachten Sie unbedingt Folgendes: Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen (E-Mail oder mündlich zählt nicht!) und von einem Vertretungsberechtigten unterschrieben sein. Prüfen Sie das Kündigungsschreiben genau – insbesondere Kündigungsfrist und Kündigungstermin. Im Rahmen des Sozialplans könnte vereinbart sein, dass verlängerte Fristen gelten oder dass Abfindungen direkt mit der Kündigung angeboten werden. Lassen Sie sich am besten umgehend vom Betriebsrat oder einem Anwalt erläutern, wie die Kündigung im Lichte des Sozialplans zu bewerten ist. Auch wenn es schwerfällt: bleiben Sie ruhig und überstürzen Sie nichts. Sie haben Rechte, und eine Kündigung ist nicht das endgültige Aus, solange Sie rechtzeitig reagieren (siehe nächster Abschnitt).
Was betroffene Arbeitnehmer jetzt tun sollten
Angesichts der unsicheren Lage und der anstehenden Veränderungen bei Weiss Technik können Sie als betroffener Mitarbeiter aktiv einiges tun, um Ihre Rechte zu wahren und bestmöglich durch diese Situation zu kommen:
- Informiert bleiben und Ruhe bewahren: Nutzen Sie alle Informationsangebote. Nehmen Sie an Betriebsversammlungen teil, lesen Sie die Rundschreiben des Betriebsrats und der IG Metall. Lassen Sie sich offiziell bestätigen, welche Schritte wann geplant sind und welche Optionen Sie haben. Verlassen Sie sich nicht auf Hörensagen, sondern auf die Informationen von Betriebsrat und Unternehmensleitung. Trotz aller Unruhe: Vermeiden Sie übereilte Entscheidungen wie Eigenkündigungen aus Angst – diese würden Ihnen nur schaden. Warten Sie ab, welche Angebote der Sozialplan Ihnen konkret macht.
- Sozialplan-Leistungen prüfen: Sobald der Sozialplan veröffentlicht oder ausgehändigt wird, studieren Sie die für Sie relevanten Punkte. Wie hoch wäre Ihre Abfindung nach der dort vereinbarten Formel? Haben Sie Anspruch auf besondere Zahlungen (z.B. extra Prämien bei langjähriger Betriebszugehörigkeit oder Härtefallregelungen)? Informieren Sie sich, wie das Freiwilligenprogramm funktioniert – gibt es eine begrenzte Zahl an Plätzen, eine Bewerbungsfrist, einen Abfindungsbonus für Freiwillige? Wenn Sie in Frage kommen, überlegen Sie, ob das für Sie attraktiv ist. Tipp: Der Betriebsrat oder die Gewerkschaft kann Ihnen den Sozialplan erläutern. Zögern Sie nicht, dort nachzufragen, was unklar ist.
- Angebote sorgfältig abwägen (Transfergesellschaft & Aufhebungsverträge): Wenn man Ihnen die Teilnahme an der Transfergesellschaft anbietet oder einen Aufhebungsvertrag vorlegt, nehmen Sie sich Bedenkzeit. Fragen Sie nach schriftlichen Informationen: Wie lange würde die Transfergesellschaft dauern, welches Entgelt erhalten Sie dort, was passiert mit nicht genommenem Urlaub oder Überstunden, etc.? Überlegen Sie: Haben Sie eventuell schon eine neue Stelle in Aussicht oder möchten Sie sich selbstständig umstellen? In manchen Fällen kann es trotz geringeren Entgelts sinnvoll sein, die Transfergesellschaft zu nutzen – etwa um die Arbeitslosigkeit hinauszuzögern, weiterqualifiziert zu werden und nahtlos ins Arbeitslosengeld zu kommen. Ein Aufhebungsvertrag ohne Transfergesellschaft sollte besonders kritisch geprüft werden, da er oft zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führt (12 Wochen kein ALG I) und Sie auf alle Kündigungsschutzrechte verzichten. Unterschreiben Sie nichts vorschnell! Sie haben das Recht, solche Dokumente vor der Unterschrift von einem Anwalt oder der Gewerkschaft prüfen zu lassen. Nutzen Sie das, vor allem weil ein unterschriebener Aufhebungsvertrag später kaum anfechtbar ist.
- Kündigungsschutzklage bei Kündigung rechtzeitig einreichen: Falls Ihnen tatsächlich eine Kündigung zugeht – egal ob vorher Abfindungsangebote gemacht wurden oder nicht – läuft eine wichtige Frist: Sie haben nur drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung Zeit, beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage einzureichen (§ 4 KSchG). Verpassen Sie diese drei-Wochen-Frist, gilt die Kündigung automatisch als wirksam und Sie verlieren in der Regel jegliche Ansprüche auf Weiterbeschäftigung oder höhere Abfindungen. Diese Frist ist gesetzlich strikt – Unwissenheit schützt nicht vor Fristversäumnis. Also: Notieren Sie sich das Datum des Erhalts der Kündigung und rechnen Sie genau drei Wochen weiter. Idealerweise kontaktieren Sie sofort nach Erhalt der Kündigung einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Ihre Optionen zu besprechen. Eine Kündigungsschutzklage kann ggf. dazu führen, dass Sie eine bessere Abfindung aushandeln können oder – falls formale Fehler passiert sind – die Kündigung unwirksam ist. Selbst wenn Sie eigentlich mit der Abfindung aus dem Sozialplan zufrieden wären, kann anwaltliche Beratung helfen, etwaige Zusatzansprüche (z.B. auf Zeugnis, Urlaubsabgeltung, Prämien) nicht zu verschenken.
- Gewerkschaftliche Unterstützung nutzen: Wenn Sie Mitglied der IG Metall sind (oder einer anderen Gewerkschaft), ziehen Sie unbedingt deren Beratungsangebote hinzu. Die IG Metall bietet Rechtsberatung und im Ernstfall Rechtsschutz bei Kündigungsschutzklagen für ihre Mitglieder. Zudem kämpft die Gewerkschaft in solchen Situationen oft dafür, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, und kann ggf. politisch oder in der Öffentlichkeit Druck ausüben. Sollten Sie bislang kein Mitglied sein, kann es sinnvoll sein, jetzt beizutreten – jedoch achten Sie darauf, dass für ganz neue Mitglieder Wartezeiten für Rechtsschutz gelten können. Erkundigen Sie sich direkt bei der Gewerkschaft.
- Professionelle Beratung einholen: Jede Kündigungswelle und jeder Sozialplan hat Besonderheiten. Zögern Sie nicht, fachkundigen Rat einzuholen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht – wie Dr. Usebach – kann Ihre individuelle Situation prüfen und Ihnen helfen, die richtige Entscheidung zu treffen: Ob Sie ein Abfindungsangebot annehmen, ob Sie in die Transfergesellschaft gehen oder ob Sie sich gegen eine Kündigung wehren sollten. Oft hilft ein Beratungsgespräch, um finanzielle Vor- und Nachteile durchzurechnen (Abfindung vs. Kündigungsschutzklage), oder um auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber zu verhandeln. Denken Sie daran: Die Kosten einer Erstberatung oder auch einer Klage vor dem Arbeitsgericht können für Gewerkschaftsmitglieder durch die Gewerkschaft gedeckt sein, ansonsten eventuell durch eine Rechtsschutzversicherung. Aber selbst ohne diese Absicherungen scheuen Sie sich nicht, zumindest einmal professionellen Rat einzuholen – es geht um viel.
Der vereinbarte Stellenabbau bei Weiss Technik ist für die Beschäftigten ein schwerer Schlag, doch dank Interessenausgleich und Sozialplan erfolgt er nicht unkontrolliert, sondern nach geordneten Regeln. Für betroffene Arbeitnehmer heißt das: Sie haben gewisse Ansprüche auf Abfindungen und Unterstützung, und es gibt Alternativen zur sofortigen Kündigung (Versetzung, Freiwilligenprogramm, Transfergesellschaft). Informieren Sie sich gründlich über Ihre Optionen und lassen Sie sich bei Bedarf beraten, bevor Sie weitreichende Entscheidungen treffen. Sollte am Ende eine betriebsbedingte Kündigung unausweichlich sein, kennen Sie nun die wichtigsten Punkte: Sozialauswahl, Kündigungsschutzklagefrist und Ihre Rechte aus dem Sozialplan.
Auch wenn die Situation schwierig ist – Sie stehen nicht alleine da. Betriebsrat und IG Metall sind an Ihrer Seite und haben bereits viel erreicht, um Härten abzufedern. Nutzen Sie diese Unterstützung und Ihre persönlichen Rechte. Mit kühlem Kopf und guter Beratung können Sie das Beste aus der Lage machen und die Weichen für Ihre berufliche Zukunft richtig stellen. Viel Kraft und alles Gute dabei!