Fallbeispiel: Entlassung nach nur 10 Minuten Arbeitszeit
Vor kurzem machte der Fall der Australierin Rhiannon Cunningham Schlagzeilen: Sie wurde an ihrem ersten Arbeitstag in einem britischen Friseursalon nach nur zehn Minuten wieder entlassen. Die Salonchefin warf ihr vor, nicht „leidenschaftlich genug“ bei der Arbeit zu sein – dabei war Cunningham pünktlich zum Dienst erschienen und verrichtete ihre Aufgaben trotz eines gebrochenen Beins. In einem TikTok-Video schilderte die junge Frau, die Chefin habe sie beiseite genommen und erklärt, sie könne sie nicht weiter beschäftigen, weil Cunningham nicht 15 Minuten vor der eigentlichen Startzeit anwesend gewesen sei und am ersten Tag „nicht genug Fragen gestellt“ habe. Ungewöhnliche Gründe für eine vorschnelle Trennung – doch was wäre, wenn ein solches Szenario in Deutschland passieren würde? Welche Rechte haben Arbeitnehmer in der Probezeit, wo liegen die Grenzen für Arbeitgeber, und welche Rolle spielen Kündigungsschutz und Diskriminierungsverbote?
Im folgenden Rechtstipp beleuchten wir die arbeitsrechtliche Einordnung eines solchen Falls nach deutschem Recht. Dabei werden konkrete Handlungsempfehlungen sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber gegeben. Wichtige Themen wie Probezeit, Kündigungsschutz und Diskriminierungsschutz werden besonders hervorgehoben.
Kündigung während der Probezeit – rechtliche Grundlagen
In Deutschland gilt bei Neueinstellungen häufig eine Probezeit von bis zu sechs Monaten. Diese muss im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart sein und dient beiden Seiten zum gegenseitigen Kennenlernen. Während dieser Zeit gelten erleichterte Kündigungsbedingungen: Eine Kündigung kann mit deutlich kürzerer Frist ausgesprochen werden und es bedarf keiner Angabe von Kündigungsgründen, solange nicht das Kündigungsschutzgesetz greift. Typischerweise beträgt die Kündigungsfrist in der Probezeit 2 Wochen zu jedem beliebigen Datum (statt der sonst üblichen 4 Wochen zum 15. oder Monatsende). Voraussetzung ist, dass die Probezeit vertraglich vereinbart wurde; fehlt eine Probezeitklausel, gilt von Anfang an die normale gesetzliche Frist (z.B. 4 Wochen nach § 622 BGB). Wichtig ist außerdem: Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen – eine mündliche Mitteilung wie im obigen Fall wäre nach deutschem Recht unwirksam. Der Arbeitgeber muss also ein schriftliches Kündigungsschreiben mit Original-Unterschrift übergeben oder zusenden. Andernfalls können Arbeitnehmer die Kündigung schon aus Formgründen anfechten.
Während der Probezeit benötigt der Arbeitgeber keinen speziellen Kündigungsgrund im rechtlichen Sinne. Eine ordnungsgemäße Kündigung ist in dieser Phase ohne Angabe von Gründen möglich, da der allgemeine Kündigungsschutz erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit einsetzt. Im oben genannten Fall „fehlende Leidenschaft“ handelt es sich um eine rein subjektive Einschätzung der Arbeitgeberin. So befremdlich und unfair ein solches Verhalten wirkt – innerhalb der Probezeit (und in kleinen Betrieben) ist eine Kündigung aus subjektiven Gründen wie „mangelnder Motivation“ rechtlich zulässig, solange keine verbotenen Motive (etwa Diskriminierung) dahinterstehen und die Formalien gewahrt werden.
Zu beachten ist allerdings, dass auch in der Probezeit gewisse Mindeststandards gelten. So wäre eine fristlose Kündigung (also ohne Einhaltung irgendeiner Frist) in der Probezeit nur bei gravierendem Fehlverhalten des Arbeitnehmers haltbar. Im Regelfall kündigt der Arbeitgeber innerhalb der Probezeit ordentlich mit der Zwei-Wochen-Frist, kann den Mitarbeiter aber sofort von der Arbeit freistellen. Im geschilderten Fall dürfte die Saloninhaberin – hätte sich alles in Deutschland abgespielt – Cunningham wohl ebenfalls mit 2-Wochen-Frist gekündigt haben (und sie direkt nach Hause geschickt). Eine fristlose Entlassung nach nur 10 Minuten ohne schweren Grund (etwa Diebstahl oder tätliche Beleidigung) wäre unwirksam. Ferner muss der Arbeitgeber auch während der Probezeit gesetzliche Vorschriften einhalten: Ist ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden, muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden, sonst ist die Kündigung unwirksam (§ 102 BetrVG). Insgesamt bleibt die Hürde für Arbeitgeber in den ersten Monaten zwar niedrig – rechtliche Fallstricke ganz ohne Kündigungsschutz gibt es aber dennoch.
Kein allgemeiner Kündigungsschutz in den ersten 6 Monaten
Der Fall Cunningham macht deutlich, wie schutzlos neue Mitarbeiter in den ersten Tagen erscheinen. Tatsächlich gilt der volle Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Deutschland erst, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat und der Betrieb regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt. Diese sechs Monate gelten als Wartezeit. Wird innerhalb dieser Zeit gekündigt oder arbeitet der Arbeitnehmer in einem Kleinbetrieb (nicht mehr als 10 Mitarbeiter), kann er sich nicht auf den allgemeinen Kündigungsschutz berufen. Der Arbeitgeber muss also keine sozial gerechtfertigten Gründe nachweisen – eine Kündigung kann aus „beliebigem“ Anlass oder sogar grundlos erfolgen. Eine Entlassung wegen angeblich fehlender Begeisterung oder weil jemand „nur“ pünktlich statt überpünktlich erschien, wäre in diesem Zeitraum rechtlich zulässig, so befremdlich dies klingt.
Allerdings bedeutet der fehlende KSchG-Schutz nicht, dass Arbeitgeber in der Probezeit alles dürfen. Andere Schutzvorschriften gelten vom ersten Tag an weiter. Beispielsweise darf eine Kündigung nicht gegen die guten Sitten oder den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. In extremen Ausnahmefällen haben Gerichte Kündigungen sogar in Kleinbetrieben als unwirksam angesehen, etwa wenn sie zur absolut Unzeit ausgesprochen wurden oder aus verwerflichen Motiven erfolgten. Beispiel: Einen Mitarbeiter direkt im Anschluss an einen schweren Arbeitsunfall im Krankenhaus zu kündigen, wäre wahrscheinlich treuwidrig und damit unzulässig. Ebenso greift das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB): Kein Arbeitnehmer darf gekündigt werden, weil er in zulässiger Weise seine Rechte ausübt (z.B. Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder Beschwerde über Rechtsverstöße). Solche Fälle sind selten, aber sie bilden eine rechtliche Grenze für Arbeitgeber. In der Praxis spielen sie bei kurzen Beschäftigungsdauern kaum eine Rolle – doch es ist wichtig zu wissen, dass völlige Willkür auch im Kleinbetrieb nicht erlaubt ist.
Zusammenfassend heißt das: Ohne allgemeinen Kündigungsschutz können Arbeitgeber in den ersten 6 Monaten (bzw. in Betrieben ≤ 10 Mitarbeiter) eine Kündigung sehr leicht aussprechen, sofern sie die gesetzlichen Formalien einhalten. Weder muss der Chef die „fehlende Leidenschaft“ objektiv belegen, noch eine Abmahnung aussprechen, bevor er kündigt. Für Arbeitnehmer ist es daher gerade am Anfang eines Jobs kritisch, sich bewusst zu machen, dass der volle rechtliche Kündigungsschutz erst mit etwas Betriebszugehörigkeit einsetzt.
Diskriminierungsverbot gilt auch in der Probezeit
Eine wichtige Grenze der freien Kündigungsmöglichkeit in der Probezeit sind die Regeln des Antidiskriminierungsrechts. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an Kündigungen aus diskriminierenden Motiven – z.B. aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Identität. Ein Arbeitgeber darf also einen neuen Mitarbeiter nicht entlassen, weil dieser zu einer geschützten Gruppe gehört oder ein entsprechendes persönliches Merkmal aufweist. Verstößt die Kündigung gegen dieses Benachteiligungsverbot, ist sie rechtlich unwirksam. In einem solchen Fall haben Betroffene zudem Anspruch auf Entschädigung nach § 15 AGG.
Im geschilderten Fall gab Rhiannon Cunningham an, sie habe ihr gebrochenes Bein schon vor der Einstellung offengelegt. Falls ein Arbeitgeber jemanden wegen einer solchen gesundheitlichen Einschränkung kündigt, stellt sich die Frage: Handelt es sich um eine Behinderung im Sinne des AGG? Ein vorübergehender Beinbruch ist in der Regel keine anerkannte Behinderung, da das Merkmal „Behinderung“ eine langfristige Beeinträchtigung voraussetzt. Allerdings sind die Grenzen fließend – hätte die Mitarbeiterin z.B. eine dauerhafte körperliche Beeinträchtigung oder eine anerkannte Schwerbehinderung, wäre eine Kündigung mit der Begründung, sie könne wegen ihrer Einschränkung nicht genug leisten, eindeutig diskriminierend. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2022 klargestellt, dass Arbeitgeber selbst während der Probezeit vor einer Kündigung prüfen müssen, ob sie einen Mitarbeiter mit Behinderung durch zumutbare Anpassungen weiterbeschäftigen können. Andernfalls kann die Kündigung als verbotene Diskriminierung wegen Behinderung unwirksam sein. Die deutsche Rechtsprechung muss seitdem auch in der Wartezeit solchen Pflichten nachkommen.
Übertragen auf den Fall: Sollte der Salon die Friseurin insgeheim wegen ihres Gipsbeins losgeworden sein (unter dem Vorwand fehlender Leidenschaft), wäre dies arbeitsrechtlich höchst problematisch. Zwar fällt eine zeitweilige Verletzung nicht ohne Weiteres unter den vollen Behindertenschutz, doch das AGG verbietet auch die Benachteiligung wegen einer vorübergehenden Behinderung oder Krankheit. Eine Kündigung „durch die Hintertür“ aus diesem Grund könnte Schadenersatzansprüche auslösen. Generell gilt: Vor Kündigungen wegen schlechter Leistungsfähigkeit, die in Wahrheit auf einer Krankheit oder Behinderung beruhen, wird gewarnt. Arbeitgeber sollten stattdessen prüfen, ob der Mitarbeiter – etwa nach Genesung – seine Aufgaben erfüllen kann oder ob zumindest angepasste Arbeitsbedingungen möglich sind, statt sofort zu kündigen (dies wird auch im Sinne der neuen EuGH-Rechtsprechung verlangt).
Darüber hinaus greifen weitere spezielle Kündigungsschutzregeln von Anfang an: Kündigungen von Schwangeren sind ab Beginn der Schwangerschaft unzulässig (§ 17 MuSchG), sofern der Arbeitgeber Kenntnis hat oder binnen 2 Wochen nach Ausspruch informiert wird. Ähnliches gilt für Eltern in Elternzeit oder z.B. für Schwerbehinderte – bei Letzteren allerdings erst nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit ein besonderer Schutz, der eine vorherige Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung erfordert. Im Ergebnis steht fest: Auch in den ersten 10 Minuten eines Jobs ist niemand rechtlos – Diskriminierung und gesetzlich verbotene Kündigungsgründe sind tabu. Arbeitnehmer, die glauben, aus einem solchen Grund gekündigt worden zu sein, sollten umgehend rechtliche Beratung suchen.
Kündigungsschutz nach der Probezeit – was wäre anders?
Betrachten wir zum Vergleich, wie anders der Fall Cunningham rechtlich zu bewerten wäre, wenn die Mitarbeiterin bereits länger beschäftigt gewesen wäre oder in einem größeren deutschen Salon gearbeitet hätte. Nach Ablauf von 6 Monaten Betriebszugehörigkeit – sofern das Unternehmen regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer hat – genießt man in Deutschland den allgemeinen Kündigungsschutz. Dann darf eine Kündigung nicht mehr grundlos oder willkürlich erfolgen, sondern sie muss sozial gerechtfertigt sein (§ 1 KSchG). Konkret braucht der Arbeitgeber einen anerkannten Kündigungsgrund: entweder betriebsbedingte Gründe (Stellenabbau, dringende wirtschaftliche Probleme), personenbedingte Gründe (etwa lang andauernde Erkrankung oder fehlende Eignung) oder verhaltensbedingte Gründe (vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers). Fehlt ein solcher tragfähiger Grund, ist die Kündigung rechtswidrig und kann per Kündigungsschutzklage angefochten werden.
Im Beispiel würde eine Kündigung mit der Begründung, jemand sei „nicht leidenschaftlich genug bei der Arbeit“, in einem Kündigungsschutzprozess kaum Bestand haben. „Leidenschaft“ ist kein objektives Kündigungskriterium. Allenfalls könnte man argumentieren, der Arbeitnehmer erbringe zu geringe Motivation oder Leistung – doch selbst dann müsste der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen und Gelegenheit zur Besserung geben, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt wäre. Nach nur 10 Minuten Arbeitszeit ließe sich eine vermeintlich mangelnde Arbeitsleistung oder ein Fehlverhalten ohnehin nicht valide feststellen. Ein deutsches Arbeitsgericht würde eine solche Kündigung nach KSchG voraussichtlich als sozial ungerechtfertigt einstufen. Das Ergebnis wäre die Unwirksamkeit der Kündigung – der Arbeitgeber müsste die Mitarbeiterin weiterbeschäftigen oder (in der Praxis häufiger) eine Abfindung zahlen, um das Arbeitsverhältnis gegen ihren Willen zu beenden.
Man sieht hier den deutlichen Unterschied: Während der Probezeit hat der Arbeitgeber einen weiten Spielraum, doch nach der Probezeit (bzw. in größeren Betrieben) wird Willkür gegenüber Arbeitnehmern durch das Kündigungsschutzgesetz stark eingeschränkt. Im Zweifel sollte ein Arbeitnehmer, der nach einigen Monaten aufgrund solch fragwürdiger Gründe gekündigt wird, immer prüfen lassen, ob eine Kündigungsschutzklage Aussicht auf Erfolg hat. Oft enden solche Verfahren mit einem Vergleich und Abfindungszahlung, da Arbeitgeber den unsicheren Prozess vermeiden möchten.
Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer
Gerade wenn man sich in der Probezeit befindet oder unerwartet gekündigt wird, ist es wichtig, richtig zu reagieren. Folgende Tipps für Arbeitnehmer helfen, keine Rechte zu verlieren:
- Kündigungsschreiben verlangen: Wird Ihnen – wie Rhiannon Cunningham – plötzlich mündlich gekündigt, bestehen Sie auf einem schriftlichen Kündigungsschreiben. Ohne Schriftform ist die Kündigung nämlich unwirksam. Lassen Sie sich nicht bloß mit Worten abspeisen.
- Nichts überstürzt unterschreiben: Unterschreiben Sie keine Aufhebungsverträge oder Verzichtserklärungen im Affekt. Manche Arbeitgeber drängen gekündigten Mitarbeitern etwas zur Unterschrift auf. Nehmen Sie sich Zeit und holen Sie im Zweifel rechtlichen Rat ein, bevor Sie irgendetwas bestätigen.
- Kündigungsfrist und Gehalt: Prüfen Sie, ob die korrekte Kündigungsfrist eingehalten wurde. Auch in der Probezeit sind üblicherweise 2 Wochen Lohn fortzuzahlen – selbst wenn Sie nicht mehr arbeiten müssen. Steht im Vertrag keine Probezeit, beträgt die Mindestfrist 4 Wochen. Achten Sie darauf, dass Ihnen für die Restzeit Gehalt zusteht oder ggf. eine Freistellung unter Fortzahlung gewährt wird.
- Arbeitszeugnis einfordern: Auch bei kurzer Beschäftigung haben Sie Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Fordern Sie ein qualifiziertes Zeugnis an, das Dauer und Tätigkeit angibt – gerade bei abrupten Kündigungen möchte man für künftige Bewerbungen dokumentieren können, was der Hintergrund war.
- Motiv der Kündigung hinterfragen: Überlegen Sie, ob ein verbotener Grund hinter der Kündigung stecken könnte (z.B. Ihre Gesundheit, Schwangerschaft, Herkunft etc.). Arbeitgeber nennen den wahren Grund nicht immer offen. Wenn Sie Indizien für Diskriminierung haben, notieren Sie diese und ziehen Sie eine Entschädigungsforderung nach dem AGG in Betracht.
- Fristen für rechtliche Schritte beachten: Wenn Sie gegen die Kündigung vorgehen wollen, handeln Sie zügig. Für eine Kündigungsschutzklage – auch um formale oder diskriminierende Kündigungen anzufechten – gilt eine dreiwöchige Frist ab Zugang der Kündigung. Auch Ansprüche auf Entschädigung nach dem AGG müssen innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG). Wenden Sie sich also sofort an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Ihre Optionen zu prüfen.
- Arbeitslos melden: Melden Sie sich unverzüglich arbeitssuchend und arbeitslos bei der Bundesagentur für Arbeit, sobald Ihnen gekündigt wurde. Gerade bei einer Kündigung in der Probezeit droht sonst eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, wenn man die Meldung versäumt. Die Meldung sollte innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt der Kündigung erfolgen (geht auch online oder telefonisch).
- Neue Jobsuche vorbereiten: Nutzen Sie die (meist kurze) verbleibende Zeit, um Bewerbungen zu schreiben und Kontakte zu aktivieren. Lassen Sie sich nicht entmutigen – eine schnelle Kündigung in der Probezeit kann viele Gründe haben und ist leider keine Seltenheit. Künftigen Arbeitgebern können Sie erklären, dass es ein „Mismatch“ oder Missverständnisse gab, statt sich für etwas rechtfertigen zu müssen, das Sie kaum beeinflussen konnten.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Auch für Arbeitgeber gilt es, bei Kündigungen – gerade in der Probezeit – einige Grundregeln zu beachten, um rechtliche Risiken und unnötige Härten zu vermeiden:
- Probezeit vertraglich vereinbaren: Nutzen Sie die Möglichkeit, eine Probezeit (max. 6 Monate) im Arbeitsvertrag festzulegen, inklusive der verkürzten Kündigungsfrist von 2 Wochen. Dies verschafft Ihnen Flexibilität, falls sich ein neuer Mitarbeiter als ungeeignet erweist.
- Form und Verfahren einhalten: Stellen Sie sicher, dass jede Kündigung korrekt umgesetzt wird. Das Kündigungsschreiben muss schriftlich mit Original-Unterschrift erfolgen. Die Zustellung sollte nachweisbar sein (persönliche Übergabe unter Zeugen oder Einwurfeinschreiben). Zudem muss – falls ein Betriebsrat existiert – dieser vorab angehört werden (§ 102 BetrVG), selbst wenn das KSchG noch nicht greift. Werden hier Formfehler begangen, ist die Kündigung angreifbar.
- Keine unzulässigen Gründe: Vermeiden Sie Kündigungen aus diskriminierenden oder sonst unrechtmäßigen Motiven. Kriterien wie Behinderung, Schwangerschaft, Alter, Religion oder Gewerkschaftszugehörigkeit dürfen keine Rolle spielen. Äußern Sie solche Gründe auch nicht beiläufig – eine diskriminierende Kündigung kann teuer werden (Entschädigung nach AGG) und wäre unwirksam.
- Kommunikation und Fairness: Sofern möglich, geben Sie ehrliches Feedback und suchen Sie das Gespräch, bevor Sie einen neuen Mitarbeiter vorschnell kündigen. Oft lassen sich Missverständnisse oder Anfangsschwierigkeiten klären. Eine Kündigung „nach 10 Minuten“ ohne Vorwarnung sorgt für Frustration und negatives Aufsehen – wie der TikTok-Fall zeigt. Bedenken Sie auch die Signalwirkung auf verbleibende Kollegen und das Betriebsklima. Fairness zahlt sich aus.
- Wahrung der Frist statt Fristlosigkeit: In der Probezeit können Sie ohne Angabe von Gründen kündigen, aber Sie müssen die zweiwöchige Frist einhalten (außer es liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor). Wenn Sie einen schnellen Ausstieg wünschen, sprechen Sie lieber die ordentliche Kündigung mit Frist aus und stellen Sie den Arbeitnehmer bezahlt frei, statt voreilig eine fragwürdige fristlose Kündigung zu riskieren.
- Dokumentation von Leistung/Mängeln: Falls ein Mitarbeiter selbst in der kurzen Probezeit deutliche Leistungsmängel oder Fehlverhalten zeigt, dokumentieren Sie die Vorkommnisse. Zwar brauchen Sie vor Gericht in den ersten 6 Monaten keinen Kündigungsgrund darzulegen, aber bei eventuellen Vorwürfen (z.B. Diskriminierung) ist es hilfreich, sachliche Gründe für Ihre Entscheidung nachweisen zu können.
- Besondere Umstände berücksichtigen: Zeigt ein neuer Mitarbeiter Engagement trotz erschwerter Umstände (z.B. körperlicher Einschränkung, Verletzung) wie im Fall Cunningham, gehen Sie sensibel damit um. Überlegen Sie, ob zumutbare Anpassungen des Arbeitsplatzes oder eine vorübergehende Entlastung möglich sind, statt sofort zu kündigen. Das ist nicht nur fair, sondern vermeidet auch rechtliche Diskriminierungsfallen – gemäß aktueller Rechtsprechung müssen Arbeitgeber bereits in der Probezeit über angemessene Vorkehrungen für behinderte Mitarbeiter nachdenken.
- Rechtsrat einholen bei Unsicherheit: Wenn Sie sich in einem konkreten Fall unsicher sind – etwa ob eine Kündigung im Grenzbereich zulässig ist – konsultieren Sie rechtzeitig einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Eine kurze Beratung kann helfen, teure Fehler (z.B. Formfehler oder unbedachte Äußerungen) zu verhindern. Dies ist besonders ratsam, wenn Sonderkündigungsschutz greifen könnte (Schwangerschaft, Schwerbehinderung, Betriebsrat etc.), da hier zusätzliche Regeln gelten und Ausnahmen nur in engen Grenzen möglich sind.
- Sauberer Abschluss: Beenden Sie das Arbeitsverhältnis ordentlich. Zahlen Sie das letzte Gehalt korrekt ab (inklusive eventueller Resturlaubsansprüche) und erstellen Sie ein wohlwollendes Arbeitszeugnis. Ein respektvoller Umgang selbst bei Trennung spricht sich herum – und schützt vor Image-Schäden, wie sie ein viral gegangenes TikTok-Video verursachen kann.
Der Fall der Kündigung „nach 10 Minuten“ mag extrem wirken, verdeutlicht aber wichtige arbeitsrechtliche Grundsätze. In Deutschland haben Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten und in Kleinbetrieben keinen allgemeinen Kündigungsschutz, sodass Kündigungen ohne detaillierte Begründung – so unfair sie erscheinen mögen – rechtlich möglich sind. Allerdings müssen Arbeitgeber auch in dieser Phase die geltenden Gesetze einhalten, insbesondere was Diskriminierungsverbote und grundlegende Fairness angeht. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und im Ernstfall zügig reagieren (schriftliche Kündigung verlangen, Fristen einhalten, ggf. klagen), während Arbeitgeber gut beraten sind, selbst in der Probezeit mit Augenmaß und Respekt vorzugehen. Eine vorschnelle oder rechtsfehlerhafte Kündigung kann sonst schnell nach hinten losgehen – rechtlich oder reputationsmäßig.
Mit klaren Regeln, guter Kommunikation und beidseitigem Respekt lassen sich viele Konflikte schon in der Probezeit entschärfen, bevor sie vor Gericht oder in den sozialen Medien landen.